Das Kombi-Ticket für drei Museen im Ruppiner Land hat sich bewährt
Kombiticket für drei Museen in Neuruppin, Rheinsberg und Wustrau

Die Fontanestadt Neuruppin im Norden Berlins beweist sich erneut als Kulturstadt im Norden von Brandenburg. Große Aufmerksamkeit erlangte die märkische Stadt zum Fontane-Jahr 2019 mit einer Vielzahl von Veranstaltungen. In diesem Jahr wurde ein Spitzenwert an Übernachtungen erzielt und auch die Prominenz aus dem ganzen Land gab sich die Türklinke in die Hand.
Mario Zetzsche vor einem Stadt-Relief und einer preisgekrönten Skulpturdes Gdansker Bildhauers Slawoj Ostrowski von Friedrich dem Großen

Der damalige Projektleiter für das Fontane-Jubiläum Mario Zetzsche ist mittlerweile der Amtsleiter für Kultur in der Stadt. In seinem Büro wird an das erfolgreiche Jahr mit einer großen Plakette eines Marketing-Preises erinnert, der von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung verliehen wurde. Der Preis zeichnet die Neuruppiner dafür aus, dass sie das Fontane-Jahr nachhaltig fortsetzten. Doch in diesen Aufschwung platzten die Corona-Maßnahmen, die die Besuche in der Stadt einschränkten.
Escape-Game zu Fontane
Das Jahr 2024 hat Neuruppin mit den Besucherzahlen wieder auf die Überholspur gebracht. „Wir haben den guten Wert von 2019 übertroffen“, so Mario Zetzsche, „und im vorigen Jahr mit 237.000 Übernachtungen eine kleine Steigerung erreicht.“ Dazu hat sicherlich auch beigetragen, erfolgreiche Aktionen des Fontane-Jahres fortzusetzen wie das Escape-Game, was besonders junge Leute anspricht. In diesem Spiel versammeln sich in einem Raum kleinere und größere Gruppen, zum Beispiel Schulklassen, und können ihn erst verlassen, wenn Rätsel gelöst sind. Im Fontane-Jahr gelangte man mit einer Zeitmaschine in das Arbeitszimmer des berühmten Dichters im Jahr 1887. Hier braucht der Dichter und Romancier Theodor Fontane Hilfe. Sein berühmtes Gedicht „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ ist verschwunden. Wie kann das sein und was müsst Ihr tun? Findet es heraus! Kein Spiel am Brett oder Computer, sondern man ist selbst Teil des Spiels.
Mit einem Ticket drei Museen besuchen
Das Kulturamt hat sich in Neuruppin neu aufgestellt, den Tourismus-Bereich integriert und schon im Jahr 2021 unter damaligen Corona- und Reiseeinschränkungen eine sehr kreative und erfolgreiche Idee gestartet: Die Einführung eines Kombi-Tickets für die drei bedeutendsten Museen in Neuruppin und seinem Umland. Das sind unbestritten das traditionsreiche Museum in Neuruppin selbst, das Brandenburg-Preußen-Museum Wustrau und das Kurt Tucholsky Literaturmuseum im Schloss Rheinsberg.
Der Preis dieses Kombi-Tickets schockt nicht nur Berliner, die die Eintrittspreise ihrer Museen in der Stadt kennen. Er beträgt neun Euro. „Es ist ein Angebot im Marketing, das sagt, wir haben noch zwei weitere sehenswerte Ausstellungen“, so erläutert Amtsleiter Zetzsche. „Es ist selbstverständlich eine Werbung, die jeweils anderen beiden Museen auch zu besuchen.“
Flexibler Eintrittspreis hat sich bewährt
Zusätzlich hat das Kulturamt mit dem Neuruppiner Museen ein weiteres neues Zahlungs-Prinzip eingeführt, den flexiblen Eintritt unter dem Motto: Was ist ihnen, lieber Besucher, der Eintritt ins Museum wert? Der übliche Preis ist fünf Euro, man kann mehr oder auch gar nichts bezahlen, so die Idee. Kann das funktionieren? „Es gibt viele Besucher, die sagen, ich gebe zu den fünf Euro Eintritt noch etwas dazu, nur ganz wenige zahlen nichts. Wir wollen damit eine Barriere abbauen und auch Leute ansprechen, die vor längerer Zeit das Museum besuchten und jetzt auf Erweiterungen und Sonderausstellungen aufmerksam gemacht werden.“
Apollo-Tempel im Tempelgarten, ein Frühwerk des Architekten Knobelsdorff

Museum feiert auch Jubiläum
Der Ausgangspunkt für das „Drei-Museen-Ticket“ befindet sich im Zentrum in der Fontane-Stadt – das Museum Neuruppin. Durch seine lange Tradition und kulturelle Bedeutung präsentiert es sich in diesem Sommer zum 160. Geburtstag mit seiner Jubiläumsausstellung. Im Jahr 1865 wurde zur 500-Jahr-Feier des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums am Schulplatz das „Zieten-Museum“ gegründet. Gezeigt wurde hier erstmals die „Sammlung vaterländischer Alterthümer“, die der Landrat Friedrich Christian Ludwig Graf von Zieten 1844 der Stadt vermacht hatte. Diese Sammlung zog dann weiter in den Gentz‘sche Villa im Tempelgarten, bevor sie dann in der Nachbarschaft im Noeldechen-Haus in der August-Bebel-Straße, einem klassizistischen Bürgerhaus, ihren heutigen Standort einnahm.
Die Feldmann Chronik über Gründungszeiten
Diese Jubiläumsausstellung ergänzt die insgesamt drei attraktiven Dauerausstellungen des Museums. Dazu zählt zum einen die Stadtgeschichte von Neuruppin. Hier ist ein besonderes geschichtsträchtiges Exponat zu sehen, worauf bei einem kleinen Rundgang die Museums-Mitarbeiterin Maria Döring aufmerksam macht. Es handelt sich um die Feldmann-Chronik, ein handschriftliches Original und sehr wertvolles Dokument aus der Zeit vor den verheerenden Bränden von 1787. Der Autor ist der Mediziner Bernhard Feldmann, der 1733 Leibarzt des in Neuruppin residierenden Kronprinzen Friedrich und Stadtphysikus in Neuruppin wurde. Er war auch historisch und genealogisch sehr interessiert und verfasste ein über 1200-seitiges, in Leder gebundenes Buch „Miscellanea Historica der Stadt Neu Ruppin“. Dieses Buch befand sich beim großen Brand der Stadt im August 1787 zum Glück außerhalb der Stadt. Da die originalen Archivalien vernichtet wurden, bildete es somit die wichtigste Quelle historischer Nachrichten aus der Gründungszeit der Stadt im 13. Jahrhundert bis nach 1787. Jetzt hat die Chronik im Museum einen Ehrenplatz.
Die ehemalige Gentz-Villa im Tempelgarten, heute Cafe und Restaurant

Ausstellung über die großen Persönlichkeiten der Stadt
Eine zweite Dauer-Ausstellung ist im Kellergeschoss untergebracht. Es zeigt die Ur- und Frühgeschichte im Ruppiner Land und basiert auf der Sammlung von Landrat Zieten aus dem Gründungsjahr des Museums.
Die dritte Dauerausstellung steht bei vielen Besuchern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sie ist jeweils in mehreren Ausstellungsräumen den drei großen bedeutenden Persönlichkeiten und ihrem Wirken in der Stadt gewidmet: Theodor Fontane, Karl Friedrich Schinkel und der Familie Gentz mit dem Unternehmer Alexander und dem Maler Wilhelm Gentz, der durch seine orientalischen Motive deutschlandweit und international bekannt geworden ist.
Die Stadt Neuruppin hat ihren im Jahr 1819 geborenen Sohn Theodor Fontane in ihren Stadtnamen integriert und ein großes Jubiläum zu seinem 200. Geburtstag ausgerichtet. Das Museum bietet dem Besucher eine ganze Reihe von Interessantem aus dem Leben des Schriftstellers, Journalisten und Theaterkritikers.
Schinkel-Denkmal des Bildhauers Max Wiese in Neuruppin

Jubiläumsjahr Karl Friedrich von Schinkel im Jahr 2031
Gleiches gilt für den 1781 in Neuruppin geborenen Karl Friedrich Schinkel. Über den preußischen Architekten und Stadtplaner erfährt der Interessierte hier im Museum, wie er den deutschen Klassizismus und Historizismus mitgestaltet hat.
Im Jahr 2031 steht der Märkischen Stadt nach Fontane ein weiteres Jubiläumsjahr bevor, der 250. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel. Ein Besuch in seinen Ausstellungsräumen im Museum kann jedermann schon jetzt auf diesen Höhepunkt einstimmen. Wie zu hören, laufen in Neuruppin bereits erste Vorbereitungsgespräche zum Schinkel-Jubiläum.
Neuruppiner Bilderbogen mehr als 150 Jahre alt
Ein weiterer Höhepunkt des Neuruppiner Museums ist zweifellos die im modernen Anbau eingerichtete umfassend und großzügig gestaltete Ausstellung über die „Neuruppiner Bilderbogen“. Und das völlig zurecht. Unter den europäischen Städten, in denen populäre Bilderbogen hergestellt wurden, steht Neuruppin für viele Experten sogar an erster Stelle.
„Der Raum ist etwas abgedunkelt. Denn die Bilderbogen, die in den Vitrinen ausliegen, sind äußerst lichtempfindlich“, erklärt Museums-Mitarbeiterin Döring. „So muss man immer abwägen. Der Besucher muss noch genügend auf den Bilderbogen erkennen können und die Blätter dürfen nicht durch zu viel Helligkeit ausbleichen.“ Schließlich ist die Mehrzahl der Bilder mehr als 150 Jahre alt. Die Produktion der Bilderbogen umfasst den Zeitraum von 1810 bis 1935. Maria Döring sorgt gemeinsam mit Kollegen dafür, dem Publikum durch den Austausch ständig weitere Exemplare zu präsentieren. Insgesamt besitzt das Museum mehr als 12.000 Blätter (!) und ist damit die größte deutsche Sammlung dieser populären Druckgrafik.
Bilderbogen mit dem ABC und der Arche Noah


Bilder-ABC für Schulanfänger und bunte Illustrierte des 19. Jahrhunderts
Allein die Fülle der Themen ist nahezu atemberaubend. Das beginnt mit einem „Bilder ABC“, einem Alphabet für Schulanfänger, heute bekannt als Lautier-Methode, die seit einigen Jahren für den Sprachunterricht wieder eingeführt wird, natürlich mit anderen Motiven.
Zum inhaltlichen Spektrum zählen weiter Bastelbogen wie beispielsweise die Arche Noah mit 124 Figuren, die man auf Sperrholzplättchen aufkleben konnte, Würfelspiele mit der glorreichen preußischen Reiterei und selbstverständlich jede Menge Märchengeschichten oder auch Berliner Witze. „Dann gab es auch Bogen“, so Döring und zeigt ein Beispiel, „die sich die Neuruppiner damals an Türen ihrer Wohnungen geklebt haben. Der Bilderbogen war zu jener Zeit günstig zu erwerben, auch von Leuten, die nicht so betucht waren.“
Bastel-Bilderbogen


An erster Stelle stehen bei den Neuruppiner Bilderbogen eine Fülle von politischen Themen wie Kämpfe und Barrikaden der Revolution von 1848 oder auch Neuigkeiten aus den Adelshäuser Europas wie das Auftreten der englischen Königin Victoria. Manche dieser Bögen wirken bis heute wie illustrierte, spannend erzählte Geschichten. Es gibt sogar Zeitgenossen, die den Neuruppiner Bilderbogen als die „Bildzeitung des 19. Jahrhunderts“ bezeichnen, mit ihrer Darstellung von Katastrophen, Verbrechen und Klatsch und Tratsch der High Society. Allerdings kommt die heutige Bildzeitung aus dem Springer Verlag mit ihren abstürzenden Auflagen bei diesem Vergleich zu gut weg.
Mit Bilderbogen beklebte Tür

Verführung zum „Festgucken“
Manche Verse und Spruchweisheiten der Bilderbogen haben bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren, so heißt es im Museumstext auf der Website. Es wird Erbauliches, Religiöses und Deftig-humoristisches auf Papier erzählt. Die Bilderbogen in den Vitrinen verführen den Betrachter zum „Festgucken“. Für den Neuruppin-Tourist eine Pflichtveranstaltung.
Der Neuruppiner Bilderbogen schafft auch eine Brücke zwischen den drei Museen, die mit dem Kombi-Ticket zum Besuch einladen. In allen drei Museen wird über die preußisch-deutsche Geschichte und dazu unzählige preußische deutsche Geschichten erzählt.
Privates Museum für Brandenburg-Preußen
Einige der Motive der Bilderbogen finden sich auch im Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau wieder, ob das die Kriege Preußens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen Dänemark, Österreich und Frankreich sind oder Spielzeug aus der Kaiserzeit.
Das Dorf Wustrau liegt am Südende des Ruppiner Sees. Hier beginnen Theodor Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Es ist die Heimat von Hans Joachim von Zieten, dem berühmten Husarengeneral Friedrich des Großen.
Der Berliner Privatbankier Ehrhardt Bödecker konzipierte dieses im Jahr 2000 eröffnete Museum und leitete es in den ersten Jahren selbst. Für das private Museum bildeten 220 Objekte der Privatsammlung von Bödecker den Grundstock der heutigen Dauerausstellung.
Das Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau

Neues Museumskonzept „Preußen – eine Idee“
Jetzt wird in Wustrau das 25jährige Jubiläum des Museums gefeiert, und der Sohn des Gründers und heutige Museums-Leiter Andreas Bödecker nimmt das zum Anlass, die Hauptausstellung neu zu konzipieren und umzugestalten. Das dazu gewählte Motto lautet: „Preußen – eine Idee“. Die Eröffnung ist für den Oktober 2025 geplant.
Denkmal des Husarengenerals von Zieten im Garten des Museums

Zur Modernisierung der Ausstellung sollen unter anderem auch Elemente moderner Museumstechniken eingesetzt werden wie interaktive Möglichkeiten für das jüngere Publikum.
„Mit dem neuen Konzept soll die brandenburgisch-preußische Geschichte nicht mehr chronologisch dargestellt werden, sondern thematisch. In diesem Zugang liegt großes Potenzial: bekannte Objekte erscheinen in neuem Licht, unbekannte Geschichten treten in den Vordergrund, überraschende Perspektiven auf das Phänomen ‚Preußen‘ werden möglich. Ein zentrales Anliegen ist die kritische Auseinandersetzung mit Urteilen und Vorurteilen – entlang der Frage: ‚Was macht Preußen aus?‘“ – so lautet die ehrgeizige Ankündigung auf der Website des Museums.
Preußen ist nicht nur Pickelhaube
Auch in der Zeit des Umbaus bleibt das Museum geöffnet, allerdings musste die gesamte Preußen-Ausstellung im ersten Obergeschoß zusammenrücken, ist also sowohl räumlich als auch thematisch begrenzt. In einem Flyer ist über das Anliegen des Museums zu lesen: „Preußen ist nicht nur Marschmusik und Pickelhaube. Preußen steht für religiöse Toleranz, für Bildung und Spitzenforschung sowie für den Beginn eines modernen Sozialstaates.“ Und natürlich wird die Geschichte Brandenburg-Preußens erzählt und in Galerien sollen alle zwanzig Brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deutschen Kaiser präsentiert werden– eben die Geschichte dieser Region.
Kriegsinvalide am Beginn der Ausstellung Historische Spielzeugsammlung


Empfang durch Kriegsinvaliden – ein Plädoyer gegen Kriegstüchtigkeit
Möglicherweise geschuldet auch durch weniger Platz und Enge empfängt den heutigen Besucher im Obergeschoss des Museums als erstes die Gestalt eines Invaliden mit einem Bein in preußischer Uniform, an seiner Uniformjacke ein eisernes Kreuz, in einer Hand seine umgedrehte Uniformmütze, mit der er um Almosen bettelt. Sicher nicht die beste Einstimmung auf eine umfassende Geschichte der Preußen, denn die Museumsmacher laufen damit Gefahr, ihrem selbst formulierten Anliegen zu widersprechen, eben nicht nur „Marschmusik und Pickelhauben“ zu zeigen.
Auf einer Informationstafel erfährt der Besucher: „Am Ende des Krieges 1918 lebten in Deutschland rund 2,7 Millionen physisch und psychisch versehrte Kriegsteilnehmer: an Armen oder Beinen Amputierte, Erblindete sowie Männer, denen ganze Gesichtspartien fehlten. Der Staat überschüttete die ‚im Felde unbesiegten Helden‘ mit öffentlichen Dankbarkeitsbekundungen. Aber die Rentenversicherungen waren durch die hohe Zahl der Kriegsopferrenten und Kriegshinterbliebenenrenten völlig überfordert. … Das Straßenbild der Städte blieb daher lange Zeit geprägt von notleidenden Invaliden.“
Am Ende war Preußen eben auch unvorstellbares Leid. Allen Kriegstreibern von heute sollte der Besuch des Museums zur Pflicht gemacht werden.
Barocke Kanzel-Uhr

Die barocke Kanzel-Uhr
Auch wenn mancher Zeitgenosse vielleicht meint, über die Preußen eigentlich das wichtigste zu kennen oder nur unwichtiges nicht wissen zu müssen – es gibt in diesem Museum eine Vielzahl von Exponaten, die überraschen und vom Gegenteil überzeugen könnten, ob nun zur Bildung, zur Entwicklung von Chemie, Optik und Elektroindustrie oder zu den bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen des 19. Jahrhunderts.
Darüber hinaus wird ein Exponat ausgestellt, das den Alltag des damaligen Kirchengängers betraf, und vielleicht sogar heute für weitschweifige Propagandisten anwendbar ist: Die barocke Kanzel-Uhr zur Begrenzung der Predigtzeit. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. befahl, in allen brandenburgischen und preußischen Kirchen diese Sanduhr aufzustellen, um die Sonntagspredigt auf eine Stunde zu beschränken. Diese Uhren hatten drei oder vier Stundengläser, die in der Regel nach 15, 30, 45 oder 60 Minuten abliefen. Der Preußenkönig entsprach hier dem Luther-Wort: „Ihr könnt predigen, über was ihr wollt, aber niemals über 40 Minuten.“ Anfang des 18. Jahrhundert war diese Tradition eingeschlafen. Dass der Preußenkönig diese Tradition in praktischer wie energischer Art wieder belebte und dann den Gebrauch der Sanduhren auch hoheitlich durchsetzte, war ein Novum.
Es ist zu wünschen, dass bei der Neugestaltung des Museums eine Reihe von diesen historischen Details ihren Platz behalten.
Schloss Rheinsberg

Das Kurt Tucholsky Literaturmuseum in Rheinsberg
Das dritte Museum im Bund der Kombi-Tickets ist das Kurt Tucholsky Literaturmuseum. Es ist untergebracht in einem großen Ausstellungsraum im Seitenflügel des Schlosses Rheinsberg. Das im April 1991 zunächst als Gedenkstätte eröffnete Museum hat sich, so auf seiner Website zu lesen, das Ziel gesetzt, eine Begegnung mit der Literatur und ihrem Autor zu einem Erlebnis zu machen. Es lädt die Besucher ein, als »Lesetourist« in die Schreibwelt Kurt Tucholskys einzutauchen, sich dem Autor und seiner Zeit zu nähern und Bezüge zur eigenen Gegenwart herzustellen.
Original-Titel der Rheinsberg-Erzählung

Rheinsberg – Ort einer Liebesgeschichte
Der Hauptgrund für den Standort Rheinsberg liegt auf der Hand. Der junge Tucholsky schrieb im Jahr 1911 die Erzählung „Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte“. Mit dieser kleinen Liebesgeschichte in recht freizügigem Ton, gedruckt in hohen Auflagen, schrieb er sich berühmt und machte zugleich die märkische Stadt im Norden Brandenburgs bekannt. Eine Sonderausstellung im Rheinsberger Museum im Jahr 2010 erinnerte an Tucholskys erste Ehefrau, Else Weil, die im Tucholskys Roman die berühmte Claire darstellt.
Kurt Tucholsky gehört mit seinen Arbeiten als Schriftsteller und Journalist zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Er ist zweifellos eine Ikone der Gesellschaftskritik in der Tradition von Heinrich Heine. Doch warum existiert in ganz Deutschland nur ein Tucholsky-Museum?
Gespräch mit dem neuen wissenschaftlichen Projektleiter Peter Graf
Inzwischen hat auch nach einer Ausschreibung der Stadt der neue wissenschaftlich-künstlerische Projektleiter für das Literatur-Museum, Peter Graf, seinen Dienst angetreten und einleuchtende Ziele formuliert: Er will im Museum die Rolle des politischen Publizisten Tucholsky stärken, dessen kämpferische Stimme gegen Militarismus und Kriegstüchtigkeit und sowie gegen ein Profitsystem, das gegen die Mehrheit der Menschen ausgerichtet ist. Außerdem kritisiert Graf, dass von den Verlagen derzeit keine Biografie über Tucholsky erhältlich ist, wie zum Beispiel die herausragende biografische Annäherung von Michael Hepp. Bei meinem Besuch in Rheinsberg am 6. August habe ich mit Peter Graf ein Gespräch führen können – es steht am Ende dieses Beitrags.
Blick in den Ausstellungsraum des Tucholsky-Museums

Es ist viel zu tun für Peter Graf, dazu gehört im übrigen auch die Gestaltung der Website, die im Vergleich zu den Websites der anderen beiden Museen sowohl in Inhalt, Struktur als auch im Design deutlich abfällt. All die ehrgeizigen Vorhaben werden nicht ohne eine langfristig stabile finanzielle Ausstattung des Museums funktionieren.
Vor wenigen Wochen schickte mir eine Journalistenkollegin eine von Bündnis 90/ Die Grünen initiierte Petition, die die Überschrift trägt: „Rettet das Tucholsky-Museum“, in der der Stadt Rheinsberg unterstellt wird, das Museum schließen zu wollen. In ihr wird kein einziger substanzieller Vorschlag gemacht, wie der Finanzbedarf des Museums langfristig gesichert werden kann, sondern es wird billigster Wahlkampf betrieben.
Tucholsky Cafe in Rheinsberg

Die Stadt Rheinsberg und ihre Bewohner wurden mit einer Kampagne von Falschinformationen überzogen.
Wem die scharfzüngigen Kommentare und Satiren von Tucholsky gefallen, der sollte den Weg nach Rheinsberg nicht scheuen. Anschließend bietet sich ein Besuch im Tucholsky-Café gleich neben dem Schloss an. Es schmückt sich mit einer ganzen Reihe von Fotoaufnahmen von dem leidenschaftlichen und bissigen Kritiker und dem scharfzüngigen Chronisten einer Epoche.
Rudern und Angeln am Rhin bei Alt Ruppin Die Boltenmühle


Vom Alten Rhin durch den Stadtwald nach Neuruppin
Das Drei-Museen-Ticket ist einen Monat lang gültig, es ist also genügend Zeit, sich nicht nur die Museen, sondern auch die wald- und seenreiche Ruppiner Landschaft anzuschauen, vielleicht ein Boot auszuleihen oder eine Dampferfahrt zu unternehmen, im Sommer in den Kalksee bei Binenwalde zu springen, der Boltenmühle oder dem Tierpark Kunsterspring einen Besuch abzustatten oder den Spuren Fontanes auf den Wegen durch die Mark Brandenburg zu folgen.
Brücke über den Alten Rhin

Als Übernachtungsmöglichkeit bietet sich das Hotel „Am Alten Rhin“ in Alt Ruppin an, da schnuppert das gediegene Mobiliar des Hotelrestaurants sogar etwas brandenburgisch preußisches. Über den Alten Rhin führt ein halbstündiger Fußweg über eine malerische Brücke direkt durch den Stadtwald zum Stadtbad Neuruppin und dann weiter zur Seepromenade. Und auch die drei Museen sind von hier schnell zu erreichen.
Im Stadtpark von Neuruppin



