Buchara
Über die Stadt Buchara wird nicht zu viel versprochen. Sie verkörpert wie kaum eine andere Stadt in Zentralasien noch das orientalische Flair. Was manche anderen Orte verheißen, hier fühlt es sich wirklich an wie bei einem Besuch im Mittelalter. Einst hervorgegangen aus einer Oase, bewiesen die Ausgrabungen der Archäologen, dass Buchara 1997 seinen 2500-jährigen Geburtstag feiern konnte und damit zu einer der ältesten Städte in Mittelasien zählt.
Buchara machte dann im Laufe der Jahrhunderte als Handelsort an der Seidenstraße eine Karriere als politisches, kulturelles und wissenschaftliches Zentrum. Bei solcher Reputation fehlt auch nicht die Souveränität, dem Witz, Humor und der Narretei eines Hodscha Nasreddin einen Platz einzuräumen. An den Eulenspiegel der orientalischen Welt erinnert an prominenter Stelle in der Altstadt in der Anlage Labi Hauz das Denkmal des einen Esel reitenden lachenden Nasreddin.
Innenhof der Kalon-Moschee mit dem Kalon-Minarett
Das Kalon-Minarett ist das Wahrzeichen von Buchara
Ein unbestrittener Höhepunkt einer jeden Stadt-Tour ist das Kalon-Minarett von 1127, das Wahrzeichen von Buchara. Mit seinen 46 Metern Höhe überragt es das gesamte Moschee- und Medrese-Gelände. Es soll das höchste Minarett in Mittelasien sein. Allerdings ruft von der schwindelerregenden Höhe kein Muezzin mehr Gebete aus. Das Super-Minarett diente als Beobachterstelle vor feindlichen Angriffen, als eine Art Leuchtturm für die Wüstenschiffe der Seidenstraße und als Vollzug von Todesurteilen durch die Emire. Die Verurteilten wurden in einen Sack gesteckt und oben vom Turm heruntergeworfen – eben Mittelalter.
Zum Turm gehört auch die daneben errichtete große Kalon-Moschee, in der bis zu Zehntausend Gläubige Platz finden. Schließlich gehört zu dem Ensemble des Kalon-Komplexes auch noch die der Moschee gegenüberliegende Mir-i-Arab-Medrese. Diese im 16. Jahrhundert eröffnete Koranschule führt mit Unterbrechungen in der Sowjetzeit bis heute ihren Lehrbetrieb. Überwältigend sind ihre Gebäudefronten, die hohen Portale und die künstlerisch verzierten Holztore.
Orientalisches Mittelalter in der Zitadelle
Genauso beeindruckend ist einer der zentralen Orientierungspunkte in der Stadt – die Zitadelle, die hier Ark heißt. Die Zitadelle war die Residenz der Khane von Buchara und war gewissermaßen eine eigene Stadt in der Stadt. Ausgrabungen belegen, dass sich hier schon im 4. Jhd. vor Chr. eine Festung befand.
Das kunstvoll geschmückte Tor und die gewaltigen Festungsmauern sind schon imponierend. Durch einen schmalen Gang in der Festung gelangt der Besucher in den Thron Hof, wo ein Marmorthron unter einer Balustrade den Hauch der Geschichte verströmt.
Beim Rundgang durch das orientalische Mittelalter stößt der Besucher auf kleine 12 Meter hohe Minarette wie von der Bolo-Hauz-Moschee.
Und dann ein unscheinbares Gebäude, was der Reiseführer als beeindruckendstes Architekturdenkmal aus dem 10. Jahrhundert klassifiziert, das Samaniden-Mausoleum.
Es soll das älteste Gebäude in Usbekistan sein. Außergewöhnlich sind die gestalteten Säulen und Bögen in den Galerien des Innenraumes, brillant die kunstvoll und genial gesetzten symmetrischen Muster der Steine und Ornamente.
Das Trauerspiel um den zunehmend wasserlosen Aralsee
Aber die Mausoleen als hochkarätige Grabstätten-Kultur erzählen heute nicht nur von der damaligen Blüte von Kunst und Architektur. Sie beherbergen auch Ausstellungen wie das Mausoleum von Chashma-Ayub.
Es wurde im 12. Jahrhundert über einer Quelle errichtet, die nach einer Legende der Heilige Hiob (Ayub) erschuf, indem er mit seinem Wanderstab auf den Boden schlug, um dem dürstenden Volk Wasser zu spenden. Dem Quellwasser wird auch noch heute eine heilende Wirkung nachgesagt. Doch viel mehr wird manchen Besucher das spannende Thema der Ausstellung interessieren. Denn hier wird die Geschichte über die Versorgung der Oase mit Wasser erzählt sowie über das Trauerspiel des mittlerweile fast wasserlosen Aralsees berichtet.
Die ganze Misere drückt sich in einer ausgestellten Schwarz-Weiß-Fotografie aus. Darauf liegt ein Schiff auf dem Trocknen, wo einst das Wasser vom Aralsee stand. Im Schatten von dem Schiffsrumpf liegen einige Kamele und suchen Schutz vor der Sonne. In Regionen wie Buchara sind die Menschen besonders sensibel, wenn es um das Lebenselixier Wasser geht. Luftbilder zeigen die menschengemachte Naturkatastrophe. Von dem Aralsee, der 1960 60.900 Quadratkilometer groß war, sind im Jahr 2017 nur noch 8.600 übriggeblieben.
Im Hamam Peeling vom Feinsten
Nachmittags in Buchara der Gang für 90 Minuten in einen Hamam für umgerechnet 30 Euro Eintritt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Badehäuser in Buchara noble Plätze. Die meisten wurden schon im 16. und 17. Jahrhundert in mittelalterlichen Kellergewölben errichtet.
Selbst hartgesottene deutsche Saunagänger, mit jahrzehntelanger Erfahrung unzähliger Aufgüsse mit Salzpeeling, müssen neidlos zugeben: Hitze, Waschung, Ganzkörpermassage und Peeling vom Feinsten mit einer Spezialkräutermischung haben Champions-League-Niveau. Alles sehr angenehm. Den Abschluss bildet eine Tee-Runde. Und beim Heraustreten in die 30 Grad Temperatur auf der Gasse umhüllt den Körper eine angenehme und sogar erfrischende Kühle.
Spontane Tänzer vor der Medrese am Labi Hauz
Zurück zum Labi Hauz in der Altstadt mit einem großen zentralen Teich, um den die Tische von Freiluft-Restaurants verteilt sind. In der Oasenstadt waren früher Dutzende solcher Wasserbecken zur Wasserversorgung installiert, mittlerweile sind sie durch Rohrsysteme ersetzt worden. Hier ist für Touristen ein wundersamer Parcours von scheinbar unzähligen Moscheen, Mausoleen und Bauten mit Blauen Kuppen und Medresen. Vor der Nadir Devon Begi Medrese haben sich zehn Sängerinnen in usbekischer Volkstracht versammelt. Ihr Gesang in die installierten Mikrofone schallt über den Labi Hauz.
Plötzlich lösen sich aus der Menge ein halbes Dutzend Usbeken, Männer und Frauen, Junge und Alte und tanzen. Und es werden immer mehr. Sie verdrehen nach den Vorgaben des Lied-Rhythmus ihre Arme, Oberkörper und werfen ihre Köpfe nach hinten. Es kommen immer mehr Tanzende und immer mehr Zuschauer. Der nur 50 Meter entfernt auf seinem Esel reitende Hodscha Nasreddin scheint noch mehr aufmunternd zu lachen.
Licht-Show der Superlative
Nach der Stärkung beim Abendessen, wie immer unter freiem Himmel, stellt sich die Frage: Gibt es nach all den des Ansehens würdigen Bauten und kunstvollen Ornamenten noch eine Steigerung? Aber ja, wenn der Besucher mit vielen anderen Touristen und auch Einwohnern in den Abendstunden sich von den bunt illuminierten historischen Bauten faszinieren lässt. Und davon ein Foto macht: Von dem kleinen Volksfest um die erleuchtete mittelalterliche Architektur, von dem Erlebnis einer orientalischen Nacht.
Samarkand
Sie wird gern als “Rome of the East” oder „Rom des Orients“ bezeichnet. Doch Samarkand, eine der ältesten Städte der Welt, die seit 2750 Jahren besteht, wird solchen Vergleichen nicht gerecht. Sie ist als uralte und immer junge Stadt ein einzigartiges Märchen, eine Legende. Samarkand befindet sich in einem fruchtbaren Tal des Flusses Sarafschan, auf einer Höhe von 725 Metern über dem Meeresspiegel, umgeben in drei Himmelsrichtungen von Gebirgszügen. Sie erlebte ein halbes Dutzend Invasoren und ist trotz Zerstörungen immer wieder wie ein Phönix aus der Asche prachtvoller wieder auferstanden.
Der Registan-Platz – Herz von Samarkand
Ein Symbol für Samarkand und mehr noch eine Legende ist der Registan-Platz. Er ist das Verwaltungs-, Handels- und Handwerkerzentrum der Stadt, sozusagen ihr Herz und von unbeschreiblicher Schönheit. So wird der rasenden Reporter Egon Erwin Kisch gern in einem guten Reiseführer zitiert, wenn er vor knapp 90 Jahren seufzend zu Papier bringt:
„Nein, wir werden den Registan nicht schildern.
Einfach als Axiom sei der Satz hingeschrieben, dass wir in keiner Stadt einen Platz mit so bunten, herrlichen Bauten kennen wie den Registan von Samarkand. Basta. Unsere Augen trinken, was die Wimper hält, vom Registan, aber wir werden ihn nicht beschreiben …“ (1) Es ist der faszinierende Blick auf ein Dreigestirn von drei kunstvoll verzierten Koranschulen jeweils mit ihren Minaretten, Kuppeln, pompösen Frontfassaden und Eingangsportalen.
Dabei übertrifft die an der Stirnseite des Registan platzierte Tilla-Kari-Medrese ihre beiden Nachbarn noch an Prunk und Ausstattung. Sie ist die jüngste und größte der drei Medresen und hat eine Doppelfunktion als Koranschule und als Hauptmoschee der Stadt.
Tilla Kari heißt übersetzt die „Vergoldete“ und tatsächlich verschlägt es einem den Atem, wenn man die komplett mit blauen und vergoldeten Ornamenten verzierten Innenräume betritt. Die aufwändige Restaurierung der Medrese erfolgte in den siebziger Jahren zu Sowjetzeiten. Eine architektonische Besonderheit ist hier der Kuppelbau. Während die riesige Kuppel von außen weithin türkis leuchtet, ist die Innenkuppel fast flach. Durch die sich nach innen verjüngenden Verzierungen entsteht die nahezu perfekte optische Täuschung, auch von innen in eine hoch gewölbte Kuppel zu schauen.
Gur Emir – das Mausoleum des Tamerlan
An Pracht und Glamour kaum zurückstehend, präsentiert sich das Gur Emir Mausoleum des Tamerlan, Anfang des 15. Jahrhunderts errichtet. Auch dieses Meisterwerk der zentralasiatischen Architektur ist ein Wallfahrtsort für die Usbeken wie die zahlreichen Touristen. Steinmetzarbeit, Holzschnitzerei, Stalaktiten-Schnitzerei und Glasmalerei schaffen eine einzigartige Ausstrahlung. Besonders die 12 Meter hohe Kuppel des Grabgewölbes mit 15 Metern Durchmesser und hellblauer Glasur wetteifert mit dem Blau des Himmels vor der Tür.
Und weiter geht die Parade unglaublicher Schönheiten mit der Moschee Bibi Chanum. Im Auftrag des Herrschers Tamerlan waren hier Architekten, Künstler und Handwerker aus nahezu allen Ländern des Orients beschäftigt. Das riesige Marmorgebäude erhielt noch einen rechteckigen Hof mit den Ausmaßen von 130 mal 100 Meter.
Ein weiterer Anziehungspunkt für usbekische Familien und Pilger wie für Touristengruppen ist der Grabkomplex Shohizinda.
Über einer breiten Treppe gelangt der Besucher an vielen kunstvoll geschmückten Mausoleen vorbei zu einer Anhöhe, wo sich ein Panoramablick auf Samarkand eröffnet.
Der berühmte Astronom aus Samarkand
Einen anderen Blick auf das Mittelalter bietet das Observatorium von Ulugbek, das der Enkel des Herrschers Tamerlan Anfang des 15. Jahrhunderts errichten ließ und nur noch in den unterirdischen Teilen erhalten blieb.
Fanatische Islamisten zerstörten nach seinem Tod das Observatorium, da die Wissenschaft der Himmelskunde nach ihrer Meinung gegen die Regeln des Koran verstoßen habe. Ulugbeks Leben war von Mathematik und Astronomie bestimmt.
In unserer Gegenwart widmet sich ein Museum seinen astronomischen Arbeiten, die bis in die heutige Zeit hochgeschätzt werden. Er berechnete unter anderem die Länge des astronomischen Jahres mit 365 Tagen, 6 Stunden, 10 Minuten und 8 Sekunden. Wie sich später herausstellte, betrug der Messfehler nur 58 Sekunden – eine erstaunliche Leistung angesichts der noch primitiven Messgeräte. Ein Asteroid und ein Krater auf dem Mond tragen den Namen des Usbeken.
Russischen Archäologen gelang im 20. Jahrhundert, die als Sextant dienende Rinne des alten Observatoriums auszugraben. Das heutige islamische Land Usbekistan ehrt den Wissenschaftler aus dem Mittelalter mit einem Museum.
Neubau eines Tourismus-Kulturzentrum
Im geschichtsträchtigen Samarkand mit seinen mehr als tausend Jahre alten Kulturschätzen muss man nicht lange suchen, um festzustellen, dass die Großstadt mit einer halben Million Einwohner auch in der Moderne angekommen ist. Dafür steht der seit 2020 begonnene Neubau eines Tourismus-Kulturzentrums im Samarkand-Stil. Hier entstehen insgesamt acht Hotels mit 1600 Zimmern und 3600 Betten und ein Kongress-Zentrum.
Insgesamt werden rund 700 Millionen Euro investiert, der Staatsanteil beträgt 40 Prozent, der Rest wird von privater Hand getragen. Als Baustellenchef und Generalmanager wurde dafür der international erfahrene Hotelmanager aus Deutschland Thomas Noll eingesetzt. Er ist zuversichtlich, dass die geplante Eröffnung schon im September dieses Jahres planmäßig stattfindet.
Silk Road heißt der neue Airport in Samarkand
Erst vor wenigen Monaten hat ein neuer Flughafen in Samarkand mit dem Namen „Silk Road“ nach einer Bauzeit von 18 Monaten den Betrieb aufgenommen. Zunächst ist eine Kapazität von jährlich zwei Millionen Fluggästen eingeplant. Die wichtigste Zielgruppe sind dabei Touristen in Westeuropa.
Bauherren sind türkische Ingenieure, die auch den neuen Flughafen in Istanbul in Rekordzeit bauten. Sie haben dem neuen Terminal eine außergewöhnliche Architektur gegeben. Es ist in der Form eines geöffneten Buches konstruiert und soll das Hauptwerk des Astronomen Mirzo Ulugbeks „Der neue Guragan-Sternenatlas“ symbolisieren. In Samarkand können sich Mittelalter und moderne Zeit durchaus die Hand reichen.
Der Registan-Platz wird unübertroffen bleiben
Da mag das neue Kulturzentrum noch so fein und schick im Herbst für die Touristen ausstaffiert werden. Und da werden die Fluggäste im neuen Flughafen die moderne Ausstattung bestaunen und den Service genießen und durch die meterhohen gläsernen Außenwände des Flughafen-Gebäudes schauen.
Für die Besucher, die sich an Samarkand erinnern, ist und bleibt der Registan-Platz immer im Gedächtnis. Besonders sein Bild, wenn er sich mit den vielen bunten Lichtern schmückt und täglich eine Menschenmenge in Verzückung versetzt. Der rasende Reporter Kisch hatte schon recht, diese menschlichen Wunderwerke sind nicht zu beschreiben.
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(1) Usbekistan, Trescher Verlag Berlin, S. 220
Die Reise wurde organisiert und durchgeführt von der französischen Organisation ACTED und dem usbekischen Reiseverband APTA. Finanziert wurde sie vom Projekt der europäischen Union „Silk Road CBT Initiative: Connecting Central Asian Community-Based Tourism and European Markets“ im Rahmen des Programms „Central Asia Invest V“.
Botschaft von Usbekistan in Berlin
> Familienurlaub in Usbekistan – Geheimtipp mit orientalischem Flair