Anfang 2006 war die Vogelgrippe Thema Nr. 1 in den Medien. Es wurde befürchtet, dass sich der Erreger dem Menschen anpassen könnte und die Tierkrankheit sich zu einer ernsthaften Gesundheitsgefahr entwickeln würde. Diese Befürchtung erwies sich bis heute als unbegründet. Weit weniger spektakulär, aber für die Gesundheit und die Volkswirtschaft sehr viel bedeutsamer, sind in Europa Erkrankungen durch Salmonellen oder andere Erreger wie Campylobacter und Enterotoxin bildende Escherichia coli, kurz EHEC.
Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 55.000 Campylobacteriose-Fälle und 52.000 Salmonellosen gemeldet. In Großbritannien dominieren derzeit Meldungen über EHEC-Infektionen die Schlagzeilen.
Allein in der Europäischen Union verursachen Erkrankungen durch Erreger, die vom Tier auf den Menschen übergehen, jedes Jahr Kosten von mehr als 6 Milliarden Euro. Ab heute beraten Experten des europäischen Zoonosen-Netzwerks (Med-Vet-Net) mit Fachleuten des amerikanischen Food Safety Research Consortiums (FSRC) im Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin im Rahmen einer dreitägigen Konferenz darüber, wie angesichts knapper Kassen und Ressourcen wissenschaftlich sinnvolle Prioritäten bei der Bekämpfung von Zoonosenerregern gesetzt werden sollten. Darüber hinaus sollen wissenschaftliche Schlüsselfragen geklärt, Möglichkeiten der Wissenschaftsförderung ausgelotet, Forschungsaktivitäten koordiniert und die weltweite Zusammenarbeit in diesem Aufgabenbereich optimiert werden.
Im Vordergrund der Konferenz steht die Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Methoden, um die Schwerpunkte bei Gesundheitsrisiken durch Zoonosenerreger festzulegen. Hierfür müssen zunächst verfügbare Daten zusammengetragen, ihre Qualität ermittelt und bestehende Datenlücken identifiziert werden. Hierzu gehören zum einen Daten zur Bedeutung der verschiedenen Infektionswege und Quellen der lebensmittelbedingten Infektionen des Menschen, zum anderen Daten zur Häufigkeit der menschlichen Erkrankung sowie zu dem Verlust an Lebensqualität und den daraus resultierenden Kosten, einschließlich sozialer Folgekosten.
Kombiniert man diese Informationen, können die Erreger und die durch sie verursachten Erkrankungen in ihrer Bedeutung gewichtet werden. Diese wissenschaftlich basierte Prioritätensetzung dient dazu, den gesundheitlichen Verbraucherschutz effizient zu gestalten. Dabei steht neben der Verhütung von Krankheit und Leid beim Menschen auch der möglichst effektive Einsatz von finanziellen Mitteln im Vordergrund. Vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Ressourcen für die Bekämpfung von Zoonosenerregern soll das Netzwerk dazu beitragen, die jährlich durch Zoonosen verursachten Kosten zu senken.
Med-Vet-Net wurde 2004 von der Europäischen Union als Exzellenznetzwerk und Teil des 6. Rahmenprogramms der Europäischen Kommission ins Leben gerufen. In dem Netzwerk, dem auch Mitarbeiter des BfR angehören, haben sich führende Wissenschaftler verschiedener Disziplinen wie Medizin, Veterinärmedizin, Gesundheitswissenschaften, Ökonomie und Politikberatung aus 16 Instituten in zehn Ländern zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, gemeinsam Strategien zur Bekämpfung von Krankheiten zu entwickeln, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Durch die intensive und kontinuierliche interdisziplinäre Zusammenarbeit soll die Bewertung des aktuellen Risikopotenzials von Zoonosenerregern für den Menschen der jeweils aktuellen epidemiologischen Situation angepasst und daraus der Handlungsbedarf abgeleitet werden.
So arbeiten die Wissenschaftler derzeit eng zusammen, um die Verbreitungswege von Salmonellen bei Nutztieren besser zu verstehen und die Bekämpfung in den Beständen, beispielsweise bei Legehennen, zu verbessern. Gemeinsame Forschungsprojekte und internationale Workshops dienen dazu, Erkenntnisse aus den beteiligten Ländern zusammenzutragen und zu diskutieren. In gezielten Schulungsmaßnahmen und Austauschprogrammen werden die Erfahrungen aus Ländern mit erfolgreichen Bekämpfungsprogrammen an Länder weitergegeben, die noch keine ausreichenden Erfahrungen aufweisen. Durch diesen Wissenstransfer tragen die Wissenschaftler von Med-Vet-Net zum Gesundheitsschutz des Verbrauchers bei.
Im amerikanischen Food Safety Research Consortium (FSRC) haben sich sieben führende akademische Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen, um wissenschaftliche Instrumente für die Prioritätensetzung bei Fragen der Lebensmittelsicherheit zu entwickeln. Die Methoden sollen vor allem dazu dienen, den Zugewinn an Lebensqualität zu identifizieren und zu evaluieren, der aus der Bekämpfung von Zoonosen resultiert. FSRC arbeitet eng mit den staatlichen amerikanischen Einrichtungen für die Lebensmittelsicherheit zusammen und hat ein Computer basiertes Modell zum Risiko-Ranking von Lebensmittel-bedingten Infektionskrankheiten (Foodborne Illness Risk Ranking Model, FIRRM) entwickelt, das auf der Konferenz vorgestellt wird.
Bearbeiter: Silvio Kunze
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