Mittwoch, November 20, 2024
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Picasso empfängt in Antibes

Die Cote d‘Azur mit ihrem zauberhaften Licht zog viele Maler an

Nur wenigen Künstlern auf der Welt ist es vergönnt, anlässlich ihres 50. Todestages in einer Vielzahl von Ländern mit großen Ausstellungen geehrt zu werden. Der spanische Maler, Grafiker und Bildhauer Pablo Picasso gehört zu diesem auserlesenen Kreis.

Besonders groß wird das Picasso-Jubiläum in seinem Geburtsland Spanien begangen und vor allen Dingen in Frankreich, wo er den größten Teil seines aktiven Malerlebens verbrachte.

Neben Paris, dem Zentrum für Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle aus aller Welt, ist für Picasso die Stadt Antibes zu seinem zweiten Zuhause geworden. Heute ist Antibes mit 75.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt an der Cote d‘Azur. Hier befindet sich das auch international hoch geschätzte Picasso-Museum, neben Barcelona das einzige, das bereits während Picassos Lebzeiten eröffnet wurde.

Das Musée Picasso im Grimaldi Chateau

Das Musée Picasso im Grimaldi Chateau
Das Musée Picasso im Grimaldi Chateau

Das Museum im römischen Kastell

Das römische Kastell mit Blick aufs Mittelmeer erhebt sich über der Altstadt von Antibes. Es steht auf einem Platz, der exzellent die Stadtgeschichte beschreibt. Etwa 500 Jahre v. Chr. errichteten die Griechen auf dieser Halbinsel einen Handelsplatz. Dann gründete sich eine unabhängige römische Stadt.

Im Mittelalter residierte hier der Bischof der benachbarten Kathedrale Notre-Dame. Im Jahr 1385 bezogen die Brüder Marc und Luc Grimaldi die Burg. Sie gehörten zu einem Zweig der berühmten monegassischen Familie Grimaldi. Es wurde in den Folgejahren zum Wohnschloss der Familie Grimaldi ausgebaut, kam unter König Henri IV. in den Besitz der französischen Krone, war dann Sitz des Gouverneurs, Rathaus und sogar Kaserne, um schließlich in den Besitz der Stadt Antibes überzugehen. Diese richtete hier im Jahr 1925 ein Archäologisches Museum und Ausstellungen für moderne Kunst ein.

Blick von der Museumsterrasse auf die Cote d'Azur
Blick von der Museumsterrasse auf die Cote d’Azur

Schon damals war die Stadt an der Cote d‘Azur ein Besuchermagnet für Touristen. Besonders die Bohème der Pariser Maler suchte und fand neben Entspannung auch das besondere Licht in der Region für ihre Arbeit. Einer von ihnen, der oft in Antibes mit Familie seinen Urlaub verbrachte, war der in Spanien geborene Pablo Ruiz Picasso, berichtet Lucy Howard, mein Guide vom Tourismusbüro von Antibes.

Mit Spott und einem Schuss Schadenfreude wird die Geschichte eines ordnungsliebenden Vermieters in Antibes erzählt. Als der noch wenig bekannte Picasso nach Wochen aus dem Quartier auszog, wurde er gezwungen, mehrere Wände, wo sich viele seiner Zeichnungen von ihm befanden, zu weißen und zu vernichten. Die Schadenfreude der Leute im Ort hatte der Vermieter gratis.

Später wurde dem dann schon berühmten Maler im Jahr 1946 von Antibes das Angebot gemacht, im Kronjuwel der Stadt, dem historischen Chateau für zwei Monate sein Atelier einzurichten. Picasso stimmte sofort zu. „Das war ein Glücksfall für Antibes, denn hier entstand nach Paris der wichtigste Ausstellungsort für Picasso“, so Lucy.

Das große Atelier von Picasso im Turm des Schlosses © Succession Picasso 2023.
Das große Atelier von Picasso im Turm des Schlosses © Succession Picasso 2023.

Picassos großes Atelier im Chateau

Picasso war von der großen Fläche des Ateliers in der obersten Etage des Turms des Schlosses so begeistert, dass er seinen Aufenthalt von Mitte September um zwei Monate bis Mitte November verlängerte. Kurz nach dem Krieg fehlte es an Farbstoffen und Leinwänden für den Maler, aber er arrangierte sich mit Provisorien. Bei Röntgenaufnahmen einiger seiner Bilder wurde nach seinem Tod sogar entdeckt, dass er ältere Bilder anderer Maler einfach übermalt hatte.

In der kurzen Zeit entstanden insgesamt 23 Gemälde und 44 Zeichnungen. Der Malerfürst hat alle seine Arbeiten der Stadt Antibes geschenkt unter der Bedingung, dass sie in Antibes verbleiben, und so geschah es. Mittlerweile hat das Museum insgesamt 275 Werke von Picasso in der permanenten Ausstellung und im Magazin. So können für die Besucher die Ausstellungsstücke in Teilen und in zeitlichen Abständen gewechselt werden.

Motive aus dem Alltag, hier "Nachtfischen in Antibes"
Motive aus dem Alltag, hier „Nachtfischen in Antibes“

Zusätzlich werden in dem Museums-Magazin noch etwa 2.000 Werke anderer Künstler aufbewahrt, Malerfreunde aus dem Umfeld von Picasso, wie der deutsch-französische Maler Hans Hartung, der polnisch-französische Maler Balthus oder der spanische Maler Joan Miro. Auch sie sind im Museum zu finden.

Picasso mit seiner Eule Ubu auf dem Museumsplakat
Picasso mit seiner Eule Ubu auf dem Museumsplakat

Griechische Mythologie und die Seeigel

Das Picasso-Museum ist in diesem Jubiläums-Jahr gut besucht. Bei einem Rundgang dominieren in den Picasso-Werken zwei Themen. Da ist zum einen die antike Historie mit Figuren aus der griechischen Mythologie und ihren Symbolen, wie der griechischen Doppelflöte. Zum anderen finden sich viele Motive aus dem Alltag des Urlaubers und Künstlers Picasso an der Cote d‘Azur, die der Maler so beschrieben hat: Ich male, was ich vor mir sehe. Gerade in diesen Bildern dominieren die Motive vom Hafen und den Fischern, von Booten, Seeigeln und Fischverkäufern – sie alle entstanden in der Nähe seiner Ferienwohnung am Hafen.

Und es dominieren in diesen Arbeiten die Farben gelb und blau. Bei einigen Bildern von Picasso taucht eine kleine Eule auf. Ein befreundeter Fotograf hatte die verletzte Eule gefunden und mit ins Atelier gebracht. Sie lebte dann hier, wurde bald recht zahm, erhielt den Namen Ubu und manchmal einen Platz auf den Bildern. Immer wieder tauchen in den Bildmotiven von Picasso die Seeigel auf wie in dem bekannten Stillleben „Eule und drei Seeigel“. Während heute in Zeiten des Massentourismus der Seeigel eher als Gefahr ausgemacht wird, war er damals an der Cote d‘Azur Symbol für das Meer, kam als gut schmeckende Delikatesse im Restaurant auf die Teller und wurde auch von Picasso gegessen.

Die drei berühmten Bilder von Picasso

In den ausgestellten Bildern spürt der Betrachter, dass Picasso hier eine glückliche Zeit mit seiner damaligen Lebensgefährtin, der Malerin Françoise Gilot und später auch den zwei Kindern verbrachte, beschreibt Lucy die Wahrnehmung vieler Besucher. In einer von den unendlich vielen Lebensgeschichten des Malers verließ Françoise 1953 Picasso. Sie gilt als einzige Frau, die den großen Künstler verließ, der sich mit vielen anderen Ehefrauen, Musen und Geliebten auch immer den Ruf als Egomane und Macho verdiente.

‚Les Démoiselles d’Avignon‘ im MoMa New York 2019
‚Les Démoiselles d’Avignon‘ im MoMa New York 2019

Manche Besucher im Museum denken auch in Antibes an die drei berühmtesten Picasso-Bilder. Da sind die „Les Démoiselles d’Avignon“, die „Fräulein von Avignon“, aus dem Jahr 1907, das als erstes Kubistisches Gemälde einzuordnen ist – ein Schlüsselbild der klassischen Moderne.

Da ist das riesengroße Ölgemälde „Guernica“. Es zeigt die Zerstörung der gleichnamigen Stadt im Baskenland im Jahr 1937 durch einen Luftangriff deutscher und italienischer Truppen im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten des Putschisten-Generals Franco gegen die spanische Republik mit einer großen Zahl ziviler Opfer. Picasso findet für das Leid des Krieges in seiner Bildsprache für alle eine verständliche gültige Formel.

Poster mit dem Bild 'Guernica'
Poster mit dem Bild ‚Guernica‘

„Kleine, weiße Friedenstaube, fliege übers Land“

Und mancher Besucher denkt bei dem Künstler Picasso vor allem an das Motiv einer Taube. Picasso hat die „La Colombe“ – die „Taube des Friedens“ – im Jahr 1949 für den Pariser Weltfriedenskongress entworfen, zunächst als Lithografie die sehr realistische Darstellung einer weißen Taube vor schwarzem Hintergrund.

Picassos Friedenstaube auf einem Plakat für die Weltfestspiele 1951
Picassos Friedenstaube auf einem Plakat für die Weltfestspiele 1951

Später hat er noch mehr als einhundert Mal das Motiv der Friedenstaube aufgegriffen und immer wieder abgewandelt, als Silhouette, als Strichzeichnung, mit einem grünen Ölzweig im Schnabel, als blauer Linolschnitt, oder als blaue Keramik-Figur. Diese Taube wurde zum weltweiten Friedenssymbol und ist es bis heute. Die Taube war auch 1949 die Inspiration für das Kinderlied „Kleine, weiße Friedenstaube“, das die Kindergärtnerin Erika Schirmer aus Nordhausen in der DDR komponierte und textete.

Während manche Kunstexperten den Maler Picasso mit seinem „Guernica“-Bild“ zu einem Superstar der Kunst erhoben, vergleichbar nur noch mit Andy Warhol und dessen Abbild von Marilyn Monroe, so ist der Bekanntheitsgrad der Friedenstaube und die damit verbundene Botschaft unerreicht.

Keramikteller von Picasso © Succession Picasso 2023.
Keramikteller von Picasso © Succession Picasso 2023.

In dem Picasso-Museum wird übrigens auch der Beweis erbracht, dass – was viele nicht wissen – Picasso nicht nur ein begnadeter Maler war, sondern Zeit seines Lebens auch Bildhauer und Keramiker. Er hat überdies auch Kostüme, Bühnenbilder, Buchillustrationen und sogar Medaillen geschaffen.

An diesem Septembertag erfreuen sich die Besucher an seinen Werken. Dann treten sie auf eine ausladende Terrasse des Chateaus, auf der sich einige Skulpturen von verschiedenen Künstlern verteilen. Bei herrlichem Sonnenschein schaut man auf das weite blaue Meer und kann Sonne und Licht genießen, einen Blick, der Picasso wie so viele andere Maler magisch angezogen hat.

Béatrice Di Vita vom Tourismus Büro Antibes Juan-les-Pins
Béatrice Di Vita vom Tourismus Büro Antibes Juan-les-Pins

Besuchermagnet Picasso

„Das Museum ist schon der Hauptanziehungspunkt für die Touristen, die zu uns kommen“, bestätigt Béatrice Di Vita. Sie ist seit mehr als 25 Jahren im Tourismus Büro Antibes Juan-les-Pins tätig. „Doch die Besucher kommen auch, um den ganzen Komplex zu sehen, das Grimaldi Chateau und die Altstadt mit ihren Festungsmauern. Wir haben den schönsten Strand am Cap d’Antibes, der heißt Plage de la Garoupe“, wirbt die Tourismus-Frau.

Übrigens sei dort Picasso regelmäßig schwimmen gewesen. Über ein halbes Jahrhundert zog es ihn immer wieder hier her nach Antibes. „Der Strand war auch ein Treffpunkt vieler Künstler, Ella Fitzgerald, Strawinsky, Hemingway, Marlene Dietrich – und auch heute kann man hier die Hollywood-Größen antreffen.“

Picassos Malerei ist nach wie vor weltweit verehrt

„Die MeToo-Debatte um Picasso hat dem Tourismus nicht geschadet, das belegen auch die Besucherzahlen“, ist Béatrice überzeugt. Picasso sei zwar fürchterlich mit vielen seiner Frauen und Geliebten umgegangen, er hat sie benutzt. „Aber das schmälert nicht seine Kunst. Er ist ein weltweit verehrter Meister der Malerei, und auch die feministische Bewegung kann ihm diese Meisterschaft nicht absprechen.“

Blick aus dem Atelier auf das blaue Meer an der Cote d'Azur
Blick aus dem Atelier auf das blaue Meer an der Cote d’Azur

Und wie ist es in heutiger Zeit mit den Lichtverhältnissen für die Maler, ist es immer noch der Anziehungspunkt? „Da hat sich einiges verändert“, ist sich Béatrice sicher. „Die Impressionisten, besonders Monet, malten im Freien und da spielten die Lichtverhältnisse eine entscheidende Rolle. Wenn der Mistral von Nordwesten kommt, dann ist es hier an der Cote d‘Azur besonders schön. Aber für die modernen Künstler heute hat das Licht gar keine Bedeutung, die malen abstrakt.“

Picassos Atelier mit 'La Joie de Vivre' © Succession Picasso 2023.
Picassos Atelier mit ‚La Joie de Vivre‘ © Succession Picasso 2023.

Das Meisterwerk ‚La Joie de Vivre‘ – ‚Lebensfreude‘

Auf die Frage nach ihrem Lieblingsbild von Picasso muss Béatrice nicht lange überlegen. „Ganz klar ‚La Joie de Vivre‘- ‚Lebensfreude‘. Da ist alles drin, Liebe, das tanzende Modell, die See, ein Boot, Figuren der Mythologie, ein vollkommenes Bild.“ Über Jahrzehnte haben Picassos Bilder von ihrer Modernität nichts eingebüßt.

Deutschland hält sich im Picasso-Jubiläumsjahr vornehm zurück, Sonderausstellungen gab nur in Halle und im Von der Heydt-Museum in Wuppertal. Jetzt im Herbst eröffnen noch zwei Ausstellungen von Picasso Druckgrafiken im Kunstmuseum in Münster und von Radierungen im Museum Ludwig in Köln.

Die Sammlung Berggruen in Berlin besitzt eine der umfangreichen Picasso-Sammlungen mit mehr als 120 Werken des Künstlers, aber: Diese sind im Picasso-Jahr „auf Tour“ und können zur Zeit in Shanghai und ab November in Peking bewundert werden, und im nächsten Jahr dann in Paris. Nur einige wenige der Picasso-Gemälde werden gegenwärtig im Rahmen der Reihe „Spanische Dialoge“ im Bode-Museum gezeigt, im Kontext mit historischen spanischen Skulpturen (Picasso im Bode-Museum (keusch-reisezeiten.de)). Demgegenüber waren in Spanien 15 und in Frankreich 12 Sonderausstellungen zu sehen. Ein Grund mehr, sich von Picasso in Antibes empfangen zu lassen.

Die Pressereise nach Antibes wurde vom Tourismusbüro Antibes Juan-les-Pins organisiert und von ATOUT France unterstützt.

Kleine weiße Friedenstaube

Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land;

allen Menschen, groß und kleinen, bist du wohlbekannt.

Fliege übers große Wasser, über Berg und Tal;

bringe allen Menschen Frieden, grüß sie tausendmal.

Und wir wünschen für die Reise Freude und viel Glück;

kleine weiße Friedenstaube, komm recht bald zurück.

Das Lied „Kleine weiße Friedenstaube“ war Bestandteil der Liederbücher des Verlags Volk und Wissen in der DDR und wurde in Kindergärten und Schulen viel gesungen. Nach der Übernahme durch den Cornelsen Verlag wird es seit 1990 in den Schulbüchern nicht mehr gedruckt. Dennoch sind die Verse mit der einfachen Melodie auch heute noch in vielen Ländern bekannt.

Dr. Ronald Keusch (Reisejournalist)
Dr. Ronald Keusch (Reisejournalist)
Dr. Ronald Keusch, der langjährige Wissenschaft Journalist beschäftigt sich seit 20 Jahren verstärkt mit den Themen Reisen und Tourismus. Die wichtigsten Medien für seine Reiseberichte aus Europa und weltweit sind die online Magazine: chexx.de ; Weltreisender.net ; cre-aktiv.com ; ctour.de ; reisetravel.eu ; berliner.umschau.de ; Sein eigener Blog ist https://www.keusch-reisezeiten.de/ Ronald Keusch ist Mitglied des JournalistenVerbandes Berlin (DJV) und Mitglied des Vorstandes des Clubs der Reisejournalisten CTOUR Berlin Brandenburg. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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