Bei der Geburt keine Schmerzen erleiden zu müssen, davon träumen seit langer Zeit viele Frauen. Die Medizin hat sich des Themas angenommen und herausgekommen ist dabei die Peridural-Anästhesie (PDA) beziehungsweise die Epidural-Anästhesie (EDA). Dabei wird eine Spritze in die Wirbelsäule geführt, um den Unterleib der Gebärenden gefühlstaub zu stellen.
Das IQTIG (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen) weiß zu berichten, dass zum Beispiel im Jahre 2016 jede vierte Frau in Deutschland von dieser Art der Rückenmarksnarkose Gebrauch gemacht hat. Sogar beim Kaiserschnitt kann die Peridural-Anästhesie zur Anwendung kommen. Es handelt sich bei der PDA um eine Lokalanästhesie im gesamten Umfeld des Beckens, das heißt, von dem Schmerzmittel gelangt nichts in den Blutkreislauf des Babys.
Wann wird die Peridural-Anästhesie eingesetzt?
Zwar kann die PDA bei vielen Operationen zum Einsatz kommen, so richtig durchgesetzt hat sich diese Art der Narkose aber vornehmlich bei der Geburtshilfe. Insbesondere die Hebammen vertreten die Meinung und empfehlen dies auch eindringlich, dass jede Frau nach normalem Schwangerschaftsverlauf erst einmal versuchen sollte, die Geburt ihres Kindes ohne Betäubung aktiv zu erleben.
Die Geburtshelfer bieten die Peridural-Anästhesie dann an, wenn die Gebärende unter unerträglichen Schmerzen leidet, völlig abgekämpft ist oder eine Geburt ins Stocken gerät. Selbst wenn ein Dammschnitt (Episiotomie) unvermeidlich ist und dieser nach der Entbindung vernäht werden muss, schaltet die PDA die Schmerzen weitestgehend aus. Über den EDA-Katheter kann die Anästhesie so nachdosiert werden, dass in einem Notfall direkt ein Kaiserschnitt eingeleitet werden kann.
Frauen, die nicht mehr in der Lage sind, sich während der Wehenpausen etwas zu entspannen, können in den Teufelskreis der permanent hohen Schmerzbelastung entgleiten. Dadurch verschlechtern sich die Durchblutung der Gebärmutter und der Plazenta, aber auch die des Kindes zusehends. Mithilfe der EDA wird der Stress der werdenden Mutter abgebaut und diese Schmerzsituation durchbrochen.
Bei jeglicher Art der Risikogeburt, dazu zählen auch Zwillingsgeburten, Bluthochdruck-Patientinnen, eine Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung) oder eine Herzerkrankung der Mutter wird eine PDA angewandt.
Den rechten Zeitpunkt für die PDA wählen
Erst wenn die Geburt wirklich in vollem Gange ist, also sich der Muttermund schon mindestens zwei Zentimeter geöffnet hat, darf man die Verabreichung einer Peridural-Anästhesie überhaupt in Erwägung ziehen. Es heißt dann, dass die aktive Eröffnungsphase schon begonnen hat. Wenn die PDA zu früh gelegt wird, kann der Geburtsverlauf ins Stocken geraten. Unmittelbar vor der Geburt ist die PDA aber kontraproduktiv, weil sie zu diesem späten Zeitpunkt eine wehenhemmende Wirkung aufweist.
In manchen Fällen ist die Wehentätigkeit so schwach, dass ein Wehentropf angeschlossen wird, der natürlich mit Schmerzen verbunden ist. In solchen Situationen kann es sinnvoll sein, die PDA trotz kaum geöffneten Muttermundes zu legen. Das Ziel muss aber immer darin bestehen, lediglich die Schmerzspitzenwerte abzufedern, damit die Wehentätigkeit durch die PDA nicht eingeschränkt wird.
Insofern kann die Peridural-Anästhesie keine komplette Schmerzfreiheit während einer normalen Geburt garantieren. Die Wehen sollen zumindest so stark wie der Periodenschmerz verspürt werden. Bei angemessen niedrig dosierter PDA wird der Geburtsverlauf kaum verzögert. Viele Ärzte lassen die PDA-Dosierung gegen Ende der Geburt bewusst ausschleichen. So kann die Frau ihre Presswehen genauer spüren und so die Geburt doch noch aktiv unterstützen.
Überdosierung ist ganz schlecht
In der Austreibungsphase der Presswehen ist die aktive Mitarbeit der Gebärenden geradezu unentbehrlich. Viele Frauen berichten, dass sie durch die Peridural-Anästhesie überhaupt keinen Pressdrang verspürten. Da sie deshalb nicht mithelfen konnten, zog sich deren Geburt unnötig in die Länge. So möchten es die Kliniken, in denen die „programmierte Geburt“ aus finanztechnischen Erwägungen an der Tagesordnung ist, natürlich nicht stehen lassen.
Daher wurde eine Studie in Auftrag gegeben und vor Kurzem veröffentlicht, die genau solche Aussagen widerlegt. Die chinesischen und US-amerikanischen Wissenschaftler fanden nämlich heraus, dass sich unter einer PDA die Austreibungsphase nicht verlängert. Abbrüche der vaginalen Entbindung, zum Beispiel wegen Geburtsstillstands, seien mit und ohne PDA ungefähr gleich häufig zu verzeichnen. Eine solche Gleichverteilung ließe sich auch für die Häufigkeit des Dammschnitts ableiten.
In der Praxis wird eine zu hoch dosierte Peridural-Anästhesie oftmals durch das Wehenmittel Oxytocin kompensiert, weil die fehlenden Schmerzen die Kontraktionen der Gebärmutter abschwächen und recht unregelmäßig gestalten. Auch öffnet sich so der Muttermund viel langsamer. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit einer Saugglocken- (Vakuumextraktion) oder Zangengeburt drastisch an.
Wie wird eine Peridural-Anästhesie gelegt?
Damit die Nadel richtig angesetzt werden kann, wird eine PDA im Liegen oder Sitzen gelegt. Dabei soll sich die Schwangere entspannen, was immer leicht gesagt ist, und den Rücken krümmen. Wenn die Nadellegung sehr unangenehm ausfällt, liegt es „natürlich“ daran, dass sich die Frau zu sehr verkrampft hat. Zunächst wird die Einstichstelle desinfiziert und sogleich örtlich betäubt.
Dann führt der Anästhesist eine Hohlnadel genau zwischen zwei Dornfortsätze der Wirbelsäule ein, meistens im Bereich des dritten oder vierten Lendenwirbels. Danach wird ein sehr schmaler Katheter durch die Kanüle in den Periduralraum über der ziemlich harten Rückenmarkshaut vorgeschoben.
Genau dort befinden sich nämlich die Wurzeln von Nervenfasern, die die Schmerzen weiterleiten, und deshalb soll hier das Betäubungsmittel ansetzen. Der Katheter bietet den Vorteil, jederzeit und bedarfsgerecht das schmerzlindernde Medikament und auch andere Medikamente nachzufüttern. Bis die PDA richtig wirkt, kann es bis zu 20 Minuten dauern.
Diese Form der Regionalanästhesie ermöglicht es der werdenden Mutter, die Geburt bei vollem Bewusstsein zu erleben. Die Kunst des Anästhesisten besteht nun darin, die Dosis stets so einzustellen, dass die Geburtsschmerzen weitgehend ausgeschaltet sind, die Gebärende aber ihre Beine und vor allem ihre Bauchmuskeln zum Pressen möglichst uneingeschränkt ansteuern kann.
Es gibt etliche Kliniken, die sogar eine „patientenkontrollierte“ Schmerztherapie (PCEA = patient controlled epidural analgesia) anbieten. Hierbei bestimmen die Frauen selbst über die Menge an aktuell verabreichten Schmerzmitteln. Um Überdosierungen zu verhindern, wurden natürlich Sicherungen ins System eingebaut.
Nachteile und Nebenwirkungen der PDA
Die Kontrolle über die Blase geht durch die EDA/PDA so gut wie verloren. Daher ist es fast üblich, dass mit der PDA auch ein Blasenkatheter gelegt wird. Im Zuge der Anästhesie sind Taubheitsgefühle, merkwürdiges Wärmeempfinden, Blutdruckabfall oder ein Schwinden der Muskelkraft durchaus üblich.
Viele Kliniken bestehen geradezu darauf, dass die Frauen die ganze Zeit liegen müssen, was nicht nur unangenehm sein kann, sondern eigentlich völlig widernatürlich ist. Bei einigen Frauen stellen sich starke Kopfschmerzen ein. Sehr selten kann es durch das Medikament zu allergischen Reaktionen, einer Infektion, einer Hirnhautentzündung oder sogar zu nachhaltigen Nervenschädigungen kommen.
Das Wissenschaftler-Team um Yvonne W. Cheng von der „University of California“ in San Francisco fand heraus, dass die Dauer der Geburten durch die PDA eindeutig verlängert wird, und zwar noch mehr als bislang vermutet (eine Stunde). Die Austreibungsphase, also gerade jene anstrengende Phase, in der die Frau das Kind aktiv herauspressen muss, verlängert die PDA bei Erstgebärenden von 197 auf 336 Minuten, also um deutlich mehr als zwei Stunden. Und bei Zweitgebärenden beträgt die Verlängerung der Austreibungsphase sogar fast drei Stunden, während die gleiche Gruppe ohne PDA schon in gut 80 Minuten fertig ist.
Weniger postpartale Depressionen durch die PDA?
Von einer Wochenbettdepression sind 10 bis 15 Prozent aller Mütter innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt betroffen. Vor diesem Hintergrund ist eine chinesische Studie sehr interessant, die darüber berichtet, dass Frauen mit PDA signifikant weniger oft von postpartalen Depressionen betroffen sind.
Darüber hinaus wurde im Rahmen dieser Studie noch ein wichtiger Zusammenhang entdeckt: Deutlich mehr von jenen Frauen, die eine PDA erhalten hatten, stillten ihre Kinder im Vergleich zu den tapferen Müttern, die die Geburt ohne Schmerzmittel überstanden. Diese Beobachtung wird so interpretiert, dass Mütter, die „einen guten Start“ mit ihrem Kind hatten, eher zum Stillen neigen.
Beim „Arschgeweih“ ist Schluss mit PDA
Es liegt wohl an der besonderen Position, wo die Peridural-Anästhesie gesetzt werden muss, dass viele Ärzte die Maßnahme dann verweigern, wenn sich genau an dieser Stelle eine Tätowierung befindet. Sie sehen nämlich die Gefahr, dass die Punktionsnadel Farbpartikel in die Nähe des Rückenmarks transportieren könnte.
Die Folgen für die dort verlaufenden, hochgradig sensiblen Nervenbahnen sind in Gänze nicht abzusehen, weil der Periduralraum in direktem Kontakt mit Hirnwasser steht. Falls ein Tattoo an dieser Stelle bereits fachgerecht entfernt worden ist, sind dort lediglich noch kleine Vernarbungen vorhanden, die aber für eine PDA kein Hindernis darstellen.