Mittagessen. Ich habe einen Riesenhunger und schon den Suppenlöffel in der Hand. „Halt!“, ruft meine Frau. „Wir müssen noch beten!“ Betet Ihr vor dem Essen? Zuhause, bei meinen Eltern, wurde und wird immer vor dem Essen gebetet: „Komm, Herr Jesus, sei Du unser Gast, und segne, was Du uns aus Gnaden bescheret hast.“
Ganz früher haben wir auch nach dem Essen noch ein Dankgebet gesprochen. Das ist dann irgendwann weggefallen. Weiß gar nicht mehr, warum. Vielleicht, weil wir Kinder zu ungeduldig waren und schnell aufstehen wollten. Außerdem waren wir auch vor dem Essen schon dankbar, oder? Einmal beten reicht doch. Bei vielen reicht die Zeit nicht mal mehr dazu.
Und so fallen immer mehr dieser schönen alten Rituale und Traditionen weg. Wer ritzt heute noch vor dem Anschneiden eines frischen Laibes ein Kreuz in den Boden seines Brotes? Um dieses Brot zu segnen, und um an das Brot des Lebens zu erinnern, das wir auch noch zum Leben brauchen. Wir kaufen unser Brot ohnehin bereits geschnitten. Da geht das gar nicht.
Ein Bekannter hat mir mal erzählt, wie seine Mutter ihm und den Geschwistern morgens, wenn die Kinder aus dem Haus gegangen sind, allen mit ihrem Finger ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet hat. Ihr Segen für den Tag. Ihre Bitte um Schutz für ihre Kinder. Damit sie gut durch den Tag und gut wieder zurück kommen.
Es gibt noch viele solcher kleinen, alltäglichen Rituale und Symbole, manche schon Generationen alt. Viele davon leider fast oder ganz vergessen.
Schade. Denn sie tun gut. Sie tun gut, weil man dadurch einen Moment innehalten kann. Innehalten, in der Hektik des Alltages, im Streß, im täglichen Trott. Innehalten, zur Ruhe kommen, wenigstens ein paar Momente bewußt erleben. Und wahrnehmen können, was uns etwas wert ist im Leben.
Weil Brot nicht selbstverständlich ist. Und Familie auch nicht. Weil wir nach mehr hungern, als nach Brot. Weil Gesundheit und Wohlergehen nicht allein in unserer Hand stehen.. Und weil es nicht selbstverständlich ist, das Kinder gesund aus dem Haus gehen und gesund wieder zurückkommen. Oder einfach, weil wir Christinnen und Christen sind und das nicht (ganz) vergessen sollten.
Also haben meine Frau und ich uns dazu entschlossen, für uns wenigstens das mit dem Tischgebet zu bewahren.
„Alle gute Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Herr, von Dir. Dank sei dir dafür!“
Markus Karsch
Bearbeiter: AM