Wie wär’s mit Zwillingen? Ist das doppelte Kinderglück oder eher zweifache Arbeit und Stress? Bei ungefähr 1,25 Prozent aller Geburten in Deutschland kommen Zwillinge zum Vorschein. Tendenziell steigt sogar die Zahl der Mehrlingsgeburten. Circa 3,6 Prozent der Kinder in Deutschland sind Mehrlingskinder. Noch zu Beginn der 1980er-Jahre lag diese Quote bei der Hälfte. Selbstverständlich hat sich die Forschung dieses Phänomens angenommen und präsentiert heute vielschichtige Zusammenhänge zwischen Mehrlingsschwangerschaften und ethnischen, anatomischen sowie weltanschaulichen Parametern.
Die Zunahme der Mehrlingsschwangerschaften ist offenkundig
Die Zwillingsschwangerschaft ist der relativ häufige Spezialfall der Mehrlingsschwangerschaft. Größere zeitliche Abstände zwischen den Geburten der Mehrlinge sind äußerst selten. In Irland gab es diesbezüglich einen recht spektakulären Fall, als der erste Zwilling schon während des fünften Schwangerschaftsmonats viel zu früh geboren wurde und sein Geschwisterchen fast ordnungsgemäß knapp drei Monate später zur Welt kam.
Bei zweieiigen Zwillingen sind es, wie der Name schon sagt, zwei Eizellen, die in etwa zur gleichen Zeit von unterschiedlichen Spermien (eines Mannes) befruchtet werden. In diesem Fall entwickeln sich für jeden Embryo eine eigene Fruchtblase und auch eine eigene Plazenta. Bei eineiigen Zwillingen ist die Situation gänzlich anders. Hier befruchtet ein Spermium eine Eizelle, die sich aber bald darauf innerhalb der Gebärmutter teilt, nachdem schon die ersten Zellteilungen stattgefunden haben.
Je nach Zeitpunkt der Eizellteilung werden entweder nur eine oder zwei Fruchtblasen für die Zwillinge ausgebildet. Dass eineiige Zwillinge praktisch identische Erbanlagen haben, muss wohl nicht weiter begründet werden. Es werden in etwa doppelt so viele zweieiige wie eineiige Zwillinge geboren. Bei Mehrlingsgeburten gibt es kaum eine Grenze nach oben. Das Guinness-Buch der Rekorde berichtet über drei Fälle von „Zehnlingen“:
- 1924 in Spanien
- 1936 in China
- 1946 in Brasilien
Da es aber keine beweiskräftigen Unterlagen darüber gibt, ist offiziell die US-Bürgerin Nadya Suleman, die im Jahre 2009 am gleichen Tag sechs Jungen und zwei Mädchen das Leben schenkte, die Rekordhalterin. Sie ging daraufhin als „Octomum“ durch die Presse.
Immer mehr Mehrlingsschwangerschaften
Laut dem Statistischen Bundesamt lässt sich Folgendes zusammenfassen:
- Im Jahre 1952 kamen auf 1.000 Geburten etwas mehr als 23 Mehrlingskinder.
- Noch 1977 dümpelte die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsgeburt bei unter 1,8 Prozent vor sich hin.
- Aber 2004 war das Jahr des bis dahin geltenden historischen Höchststandes von gut 3,5 Prozent Mehrlingsgeburten.
- Im Jahre 2012 wurde diese hohe Rate erneut erreicht, um
- 2015 mit 3,75 Prozent nochmals übertroffen zu werden.
Die gute altbekannte „Hellin-Faustregel“, dass Mehrlingsschwangerschaften bei 1,14 Prozent zu liegen haben, hat sich damit eindeutig überholt.
Mögliche Gründe für die Zunahme von Mehrlingsschwangerschaften
Aus wissenschaftlicher Sicht liegt die Zunahme der Mehrlingsschwangerschaften in den zunehmenden Kinderwunschbehandlungen begründet. Die dabei zur Anwendung kommenden Hormonbehandlungen stimulieren die Eierstöcke, das ist gewollt. Damit erhöht sich aber die Wahrscheinlichkeit, dass gleichzeitig mehrere Eizellen heranreifen. Immerhin jede vierte so behandelte Frau bringt Mehrlinge zur Welt.
Bei In-vitro-Fertilisationen werden zwei oder auch mal drei im Reagenzglas befruchtete Eizellen in die Gebärmutter eingepflanzt. Bei dieser Form der künstlichen Befruchtung sind Mehrlingsgeburten ebenso wahrscheinlich.
Es gibt noch einen zweiten Grund, mit dem die Zunahme der Mehrlingsgeburten erklärt wird. Es ist das deutlich gestiegene Durchschnittsalter der Frauen, die erstmalig schwanger werden. Das Heranreifen einer einzelnen Eizelle wird durch das Hormon FSH (follikelstimulierendes Hormon) reguliert. Dieser natürliche biochemische Vorgang funktioniert bei jüngeren Frauen zuverlässiger. Mit den Jahren sind es dann auch mal gleich zwei oder drei Eizellen, die da reifen und befruchtet werden können.
Weitere Gründe für eine Zwillingsschwangerschaft
Es sind in erster Linie die Mütter, die den Hebel zur Mehrlingsschwangerschaft umlegen. Der Vater kann in der Sache nur neidisch zuschauen, denn die Tatsache, dass er möglicherweise selbst ein Zwilling ist, spielt überhaupt keine Rolle. Bei der Mutter ist es dagegen gleich eine ganze Palette von Parametern, die eine Zwillingsschwangerschaft begünstigen:
- Je älter die Mutter, desto wahrscheinlicher ist eine Mehrlingsschwangerschaft.
- Bei großen, gut ernährten Frauen liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Zwillingsschwangerschaft um bis zu 30 Prozent höher. Ein Erklärungsversuch geht dahin, dass diese Frauen über viel Protein verfügen, aus denen sie Hormone synthetisieren, die ihre Eierstöcke entsprechend beeinflussen. Daher sind Milchprodukte und Eiweiß für Mehrlingsgeburten förderlich. Dies bestätigte auch eine Studie mit Blick auf vegan lebende Frauen, die signifikant weniger Zwillingsgeburten aufweisen.
- Mütter mit mehreren Kindern bekommen häufiger zweieiige Zwillinge.
- Mütter, die ihr Kind gestillt haben, bekommen häufiger Zwillinge. Eine Studie geht hierbei von einer Rate von gut elf Prozent aus, verglichen mit gut ein Prozent bei nicht stillenden Frauen.
- Die „Neigung“ zu Mehrlingsgeburten wird von der Mutter weitervererbt. Allerdings gilt diese Aussage lediglich für zweieiige Zwillinge. Falls Du also aus einer Familie kommst, in der Zwillingsgeburten vorkamen, hast Du gute Chancen, selbst Zwillinge zu bekommen.
- Bei Hormonbehandlungen entwickeln sich mehr Eizellen.
- Bei einer In-vitro-Fertilisation (IVF) in Verbindung mit der „Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion“ (ICSI) werden höchstens drei befruchtete Eizellen eingesetzt.
- Erhöhte Zwillingsgeburtenraten finden wir bei afrikanischen Frauen, während Spanierinnen und Asiatinnen weniger davon betroffen sind.
Erhöhte Risiken bei Mehrlingsschwangerschaften
Mehrlingsschwangerschaften sind grundsätzlich mit etwas erhöhten Risiken verbunden. Schaut man auf die Statistik, so weist diese eine dreifache Sterblichkeit von Frauen in der Mehrlingsschwangerschaft aus. Während der ersten Monate kommt es bei diesen Frauen relativ häufig zu einer Hyperemesis gravidarum. Das ist ein übermäßiges, sehr lange anhaltendes Erbrechen sogar nachts bei leerem Magen. Gegen Ende der Schwangerschaft kann es zu einer Gestose (Schwangerschaftsvergiftung) kommen, die sich zu einer Präeklampsie beziehungsweise zum HELLP-Syndrom ausweiten kann.
Bei Mehrlingsgeburten kommt es deutlich häufiger zu Frühgeburten. Wachstumsverzögerungen ergeben sich nachweislich bei Zwillingsschwangerschaften in etwa ab der 34. SSW, bei Drillingen sogar schon ab der 28. SSW. Daher werden ab der 28. SSW wöchentliche Kontrolluntersuchungen empfohlen, auch mit Blick darauf, ob sich die Föten möglicherweise unterschiedlich entwickeln. Bei mehr als zwei Föten muss die Geburt oftmals durch einen Kaiserschnitt, was einen schweren Eingriff für die Mutter bedeutet, eingeleitet werden. Die Überlebenschancen der Frühchen haben sich allerdings in den letzten Jahren durch den medizinischen Fortschritt deutlich verbessert.