Lesbische Paare wünschen sich zuweilen ein Kind. Die Umsetzung dieses Wunsches hat nicht nur biologische Hürden. Es sind vor allem die Diskriminierung, die vielen Absagen und die daraus resultierende Verzweiflung, die dem lesbischen Familienglück die Rote Karte zeigen. Wie es homosexuellen Paaren diesbezüglich heute in Deutschland ergeht, das möchten wir in diesem Artikel etwas beleuchten.
Ein dorniger Weg für lesbische Paare
Vielleicht gibt es ja in Eurem Bekanntenkreis einen hübschen, netten Mann, der sich dazu bereit erklärt, Euch eine Spritze mit seinem frischen Sperma zu schenken, das wär doch mal was, oder? Und wer niemanden kennt, der jemanden kennt, könnte das Internet bemühen. Auf welche Art auch immer das Sperma (hoffentlich) besorgt werden kann, es ist schon bezeichnend, dass lesbische Paare für die künstliche Befruchtung beim Arzt in etwa das Doppelte wie heterosexuelle Paare zahlen.
Die Preisliste ist geradezu tendenziös: Verheiratete heterosexuelle Paare bezahlen denselben Service mit circa 2.500 Euro, sind die Kinderglücksuchenden homosexuell und nicht verheiratet, kann der Preis auf bis zu 5.000 Euro anschwellen. Der Samenspender, der sich dahinter verbirgt, ist aber meistens derselbe Mann. Das ist doch irgendwie merkwürdig.
Tatsächlich wird dies so begründet: Es gäbe nur wenige Spender, die ihren Samen homosexuellen Paaren bereitstellen möchten. Komisch, denn im Jahre 2009 veröffentlichte die Familientherapeutin Petra Thorn eine Studie, aus der hervorgeht, dass 68 Prozent der befragten Spender ihren Samen sehr wohl gleichgeschlechtlichen Paaren gönnen. Dazu befragt wurde immerhin ungefähr ein Drittel der aktiven Samenspender in Deutschland.
Der Grund für die Benachteiligung homosexueller Paare liegt in Wahrheit wieder einmal mehr an wirtschaftlichen Interessen. Die wenigen Arztpraxen, die die künstliche Befruchtung in Deutschland bei lesbischen Paaren durchführen, genießen faktisch eine Monopolstellung.
Was sagt der Gesetzgeber dazu?
Zunächst einmal ist in Deutschland der freie Zugang lesbischer Frauen zu reproduktionsmedizinischen Dienstleistungen gesetzlich nicht geregelt. Es gibt lediglich ein paar uneinheitliche Richtlinien der Landesärztekammern. So steht darin in Hamburg großmütig geschrieben, dass die künstliche Befruchtung dann erlaubt ist, wenn es um ein verheiratetes lesbisches Paar geht. Anderswo finden lesbische Frauen grundsätzlich gar keine Erwähnung oder es wird sogar ein explizites Verbot ausgesprochen. Diese unklare Rechtssituation verursacht (verständlicherweise) erhebliche Unsicherheit in den Kinderwunsch-Kliniken, was oftmals zu einer strikten Ablehnung lesbischer Patientinnen führt.
Die Ärztekammern folgen einer abstrusen Richtlinie
Der Grund für die Abweisung lesbischer Paare durch viele Kinderzentren ist eine Richtlinie, die die Bundesärztekammer (BK) im Jahr 2006 ausgegeben hat. Darin steht zu lesen, dass sichergestellt werden soll, dass das Kind eine stabile Bindung zu beiden Eltern aufbauen kann. Bei einer künstlichen Befruchtung von Frauen, die nicht in einer geordneten Partnerschaft oder gar in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben, sei dies ausgeschlossen.
Diese schwer verdauliche Richtlinie wurde von 14 der insgesamt 16 Landesärztekammern (LK) so übernommen. Sie gestaltet damit in der Mehrzahl der Bundesländer das Berufsrecht. Ärzte, die dagegen verstoßen, laufen Gefahr, ihre Zulassung zu verlieren. Offensichtlich halten sich die Ärztekammern nicht an das seit dem Jahre 2005 geltende Recht, dass homosexuelle Paare Stiefkinder adoptieren dürfen.
Die Bundesärztekammer erklärte dazu, dass es in der Sache noch viele offene Fragen gäbe, so zum Beispiel die Bedeutung von Vater und Mutter für die Entwicklung des Kindes, aber auch familienrechtliche Fragen zu Unterhalt und Erbschaft sowie ungeklärte Aspekte des ärztlichen Haftungsrechts. All diese Unsicherheiten würden zu ethischen und moralischen Bedenken führen.
Gibt es vielleicht doch einen Weg für lesbische Paare?
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) meint, sich auf einen formalen Fehler berufen zu können, denn das ausdrückliche Verbot der Ärztekammern befindet sich lediglich im unverbindlichen Teil der Richtlinie. Im verbindlichen Teil werden nämlich die Lebenspartnerinnen nicht einmal erwähnt. Der LSVD interpretiert dies so, dass faktisch kein Arzt ein Berufsverbot befürchten muss, wenn er den Kinderwunsch lesbischer Frauen erfüllt.
Rudolf Ratzl ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins. Er warnt davor, derartige berufsrechtliche Konsequenzen so einfach auszuschließen, denn viele namhafte Juristen teilen die Auffassung des LSVD. Zwar sei so etwas bislang noch nicht passiert, aber was nicht ist, kann ja noch kommen.
Nach dem deutschen Gewebegesetz sollen Spendersamen nur bei Paaren eingesetzt werden, die aus gesundheitlichen Gründen steril sind. Dieses Argument ließe sich im Prinzip auch auf lesbische Paare ausweiten. Am Ende kann nur ein Gericht entscheiden. Auf jeden Fall will der LSVD Ärzte bei derartigen Auseinandersetzungen mit Rechtsbeistand unterstützen.
Wo bleibt die Gleichheit vor dem Gesetz?
Indes in Deutschland die Rechtslage noch diskutiert wird, schaffen lesbische Paare in den Niederlanden oder in Dänemark Fakten, denn dort sind derartige Behandlungen an der legalen Tagesordnung. Experten fordern ohnehin schon lange die Änderung des Abstammungsrechts ein. Bei heterosexuellen Ehen ist automatisch der Ehemann der rechtliche Vater eines Kindes, übrigens auch dann, wenn er nicht dessen biologischer Vater ist. Die Familienanwältin Gabriele Lünsmann weist darauf hin, dass diese Abstammungsregel endlich um die Ehefrau der Mutter zu erweitern ist. Auf diese Weise würden sich sogleich viele rechtliche Unsicherheiten relativieren, auch zum Vorteil der Kinderwunschkliniken.
In der Tat hat die Bundesjustizministerin Katharina Barley (SPD) nun reagiert und einen Diskussionsentwurf bezüglich der Reform des Abstammungsrechts vorgestellt. Bis es aber zur Verabschiedung eines neuen Gesetzes kommt, bleiben lesbische Paare vom Goodwill der Kliniken und Samenbanken abhängig.