Der Geschäftsführer des Frankenwald Tourismus Markus Franz ist schon etwas überrascht, dass die erstmalig gestartete Aktion seines Teams „24 Stunden Frankenwald“ so großen Zuspruch gefunden hat. Die Idee ist eigentlich simpel. An einem Wochenende von Sonnabend den 4. September bis zum Sonntag den 5. September wurden für eine Entdeckungsreise online rund 80 Stationen aufgelistet, die dem Besucher ein Erlebnisprogramm anbieten.
Es präsentiert sich die Region im Norden Bayerns und im Norden vom Frankenwald. Hier findet sich ein Stück Mittelgebirge abseits vom Massentourismus. Die Interessenten konnten die einzelnen Module online durchsehen, samt detaillierter Beschreibung der Reisestationen, Adresse und der für einige Angebote zu entrichtenden Gebühr, und danach sofort buchen. Diese Offerte richtete sich sowohl an die Einheimischen wie auch Touristen, die dann vor der Qual der Auswahl standen. Auf der Liste standen historische Führungen in Burgen und Schlössern, der Besuch von zotteligen schottischen Wuschel-Rindern und urigen Kohle-Meilern, jede Menge Wanderungen, auch mit Ziegen und Lamas zu Tages- und Nachtzeit bis zum Brezel und grüne Brötchen backen sowie in einigen Brauereien eine Bierverkostung.
„Auf etwa 400 Anmeldungen hatten wir gehofft, doch die Zahl war dann doppelt so hoch“, freut sich der Geschäftsführer vom Frankenwald Tourismus Markus Franz. Die Aktion ist natürlich auch Werbung zum Wiederkommen. Zu der Premiere dieses Erlebnisprogramms wurde auch eine kleine Gruppe von Reisejournalisten eingeladen unter dem Motto: Tue etwas Originelles für die Tourismus-Branche und lass Adeba.de darüber senden und schreiben.
Das Bayerische Staatsbad Bad Steben und der bayerische Löwe im Kurpark
Der Ausgangspunkt für eine Entdeckungstour dieser wenig bekannten Region im Norden vom Frankenwald ist das mit 3.400 Einwohnern beschaulich kleine Bayerische Staatsbad Bad Steben.
Mit der Entdeckung der Heilwasser bei einer Belagerung der Stadt 1444 wurde im Laufe der Jahrhunderte sein Markenzeichen geprägt: der Dreiklang von Radon, Kohlensäure und Naturmoor. Mit der Erhebung zum bayerischen Staatsbad eröffnete schließlich der bayerische König im Jahr 1832 die Heil- und Badesaison.
Im 19. Jahrhundert entstand dann auch der 40 Hektar große Kurpark mit seinen Bauwerken des Klassizismus und des Jugendstils. Eine Visitenkarte für den Sanatoriums-Ort Bad Steben ist die 1910 errichtete Wandelhalle mit ihren Säulen und Arkaden. „Insgesamt haben wir vier Kliniken für Reha-Maßnahmen mit 1.700 Betten und konnten im Jahr 2019 370.000 Übernachtungen verzeichnen“, bilanziert der langjährige Kurdirektor und heutige Bürgermeister Bert Horn.
Allerdings seien durch die Maßnahmen zur Corona-Pandemie die Zahlen etwas rückläufig. Während Berlin vor 20 Jahren begann, Bärenfiguren zu bemalen, entdeckte das Staatsbad die Figur des bayerischen Löwen. Privat gesponsert, ist er nunmehr mit bunter Bemalung im wundervollen Kurpark zwischen uralten Bäumen, Rosen, Stauden, Skulpturen und ausgedehnten Rasenflächen unterwegs.
Übrigens beherbergt der Kurort seit 2001 auch eine Spielbank. Der Direktor Udo Braunersreuther verspricht, dass sein Haus mehr als nur ein Glücksspiel bietet, sondern auch regelmäßige Auftritte von Künstlern und Live-Musik. Nicht zuletzt wird auch ein Ausrufezeichen im Baustil gesetzt. Hier legte der namhafte Architekt Meinhard von Gerkan Hand an, der u. a. auch den Berliner Hauptbahnhof entworfen hat.
Der Malz-Schmied Smith aus Nottingham
Aus dem Programm „24 Stunden Frankenwald“ habe ich sechs Ziele ausgewählt. Meine erste Station befindet sich in dem 3.000 Einwohner Städtchen Wallenfels im Oberen Rodachtal, das durch die Flößerei bekannt ist. Hier ist vor mehr als einem Jahr die kleine aber feine Brauerei Malz-Schmied in einem unscheinbaren Haus an der Hauptstraße gegründet worden. Sie reiht sich in die Gesamtzahl von 160 bestehenden Brauereien allein in Oberfranken ein.
Damit hat sich die Region mit etwa einer Million Einwohnern unangefochten den Titel größte Bierbrauerei-Dichte pro Einwohner in Europa erobert, wie Touristiker vermelden. Davon ließ sich der 33 Jahre alte Bierbrauer Robert Smith nur anspornen, ein gebürtiger Brite aus Nottingham, der als 18-jähriger nach Franken kam. Seine mehrjährige Ausbildung als Brauer und Mälzer mit Meisterbrief erhielt er in der Bier-Metropole Kronach. Im August 2020 war dann sein erster Brau-Tag. Heute kann er dem Publikum stolz seine Bier-Kreationen präsentieren und zum Verkosten anbieten. Er hat alle Biernamen mit Handwerksbezeichnungen versehen. Da gibt es beispielsweise den „Holzmacher“, ein neues Helles mit einem würzig harzigen Hopfen, der das Aroma von Fichte, Tanne und Lärche, also den Frankenwald ins Bier bringt. Weitere Sorten wie Floßmeister, Meisterdieb und Flaschnermeister (Flaschner = Klempner) klingen mit ihren Namen nicht nur spannend und urig, sondern schmecken dann auch so.
Die Biersorte Flaschnermeister beispielsweise schmeckt dezent und angenehm nach Limette und Papaya. Das bekam auch schnell die Kundschaft im Umkreis mit. So mancher Biertrinker ist von den Massenproduktionen (Volksmund: Industrieplärre) nicht begeistert. Zum Start waren die ersten 50 Liter Bier schon nach einer Stunde ausverkauft. Dem Brauer Robert gelingen diese feinen Bieraromen, die übrigens dem bayerischen Reinheitsgebot entsprechen, vor allem durch den klugen Einsatz von verschiedenen Hopfensorten, bestimmten Hefen, weichem und hartem Wasser, hellem und dunklem Malz und einer Auswahl von Aromen.
Eine kleine Bier-Wissenschaft. Die Malz-Schmiede kann aber nur funktionieren, wenn Robert Smith täglich als Allesselbermacher und Alleinkämpfer agiert, Einkauf, Brauen, Abfüllen, Verkaufen, Vermarkten und mit Touristen und Besuchern plaudern. Das hindert den erklärten leidenschaftlichen Braukünstler nicht daran, neue Biersorten auszuhecken. So hat er von Hopfen-Sorten in Neuseeland gehört.
Das lebendige Schloss Schauenstein
In 28 Kilometer Entfernung liegt die nächste Station auf der Frankenwald-Tour – das Mittelalter auf Schloss Schauenstein. Hier wartet das Brüderpaar Peter und Reiner Geiser auf die Besucher. Peter trägt standesgemäß die Ritterkleidung eines Landvogts aus dem 12. Jahrhundert mit einem Kettenhemd und sein Bruder Reiner ist in einer Bürgerkluft aus dem 13./14. Jahrhundert erschienen.
Vor fünf Jahren wurde der Verein Schlossfreunde Schauenstein gegründet und somit, wie der Vorsitzende des Vereins Peter Geiser sagt, das „Schloss aus seinem Dornröschenschlaf wach geküsst.“ Sehr zur Freude der Bewohner des Ortes Schauenstein und der Touristen wird hier lebendige Geschichte präsentiert. Jährlich finden Mittelalter-Feste statt.
Das Schloss beherbergt zwei Museen, eines zur Geschichte der Feuerwehren in der Region und eine Ausstellung zum Alltags-Leben, das auch geologische Sammlungen präsentiert. Ritter Peter legt Wert darauf, dass besonders bei Besuchen von Familien mit Kindern und Jugendgruppen anstelle der Schildchen „Berühren verboten“ viele Ausstellungsstücke in den Museen „zum Anfassen“ da sind, wie Helme oder Kettenhemden. Schloss Schauenstein hat über Jahrhunderte als Trutzburg mit drei Burgringen die Angriffe der Hussiten abgewehrt und den 30-jährigen Krieg unbesiegt überstanden. Jetzt wird mit dem Freundeskreis darum gekämpft, ein lebendiges Schloss zu sein, das viele Besucher anzieht.
Little Berlin Mödlareuth
Zu einem historisch ganz anderen Ort führt uns die Erlebnisreise in das Frankenwald-Dörfchen Mödlareuth. Hier sind keine Schloss-Türmchen oder Jahrhunderte alte Burgmauern zu bestaunen, sondern Beton-Architektur. Die Amerikaner nannten es nur lakonisch „Little Berlin“, ein Dorf mit 50 Einwohnern, bei dem der durch den Ort fließende Tannbach nach 1945 die Demarkationslinie darstellte.
Sie entsprach den alten Verwaltungs- und Landesgrenzen, nunmehr zwischen sowjetischer und amerikanischer Besatzungszone. Später dann gehörte der thüringische Teil des Ortes zur DDR, der bayerische Teil zur Bundesrepublik. Wie in Berlin 1961 wurde dann auch hier 1966 durch das Dorf eine 700 Meter lange Betonmauer gebaut.
Nach dem Fall der Mauer 1989 in Berlin wurde im Dezember 1989 am Ende der Welt in Mödlareuth auch ein Grenzübergang eröffnet. Es entstanden ein Museum mit einem Museumskino, ein Freigelände und ein Ort der Erinnerung. Es sind ein paar hundert Meter der insgesamt 1.400 Kilometer langen früheren innerdeutschen Grenze. Hier steht auch noch ein Schlagbaum und nicht weit entfernt ein DDR-Grenzpfahl, vor dem sich bis 1989 Prominente und Besucher zum Fotografieren drängelten, sozusagen das Brandenburger Tor von Mödlareuth. Heute ist der Platz verwaist.
Der Museumstrakt soll mit 20 Millionen Euro erneuert werden. Der Unternehmensberater Thomas Schott gehört zu denjenigen, die ehrenamtlich Besucher durch das Gelände führen. Bei Frankenwald 24 h gab es keine Anmeldungen. Zeitgeschichte scheint nicht so gefragt zu sein.
Brücke über das Höllental geplant
Die nächste Station ist die Mittelalter-Stadt Lichtenberg. Im Mittelpunkt steht die Ruine der Burg Lichtenberg, die im Dreißigjährigen Krieg zerstört und nie mehr aufgebaut wurde. Allerdings ist sie heute noch mit ihrem Aussichtsturm und den begehbaren Burg-Kasematten ein Ausflugsziel. „Hier feiert die Lichtenberger Bevölkerung jährlich mit tausenden Gästen seit 20 Jahren Burgfeste, deren Erlöse in Erhalt und Ausbau der Burgruine fließen“, erzählt mir Bürgermeister Kristan von Waldenfels.
Dieser Bürgermeister hat selbst eine historische Leistung abgeliefert, als er sich vor knapp zwei Jahren als 19jähriger Student der Volkswirtschaft und Philosophie in Bayreuth zur Bürgermeisterwahl stellte und gewann. Übrigens waren von 1427 bis 1618 Lichtenberg und weitere Ländereien im Besitz seiner Vorfahren, der Herren von Waldenfels. Doch diese Familientradition hat dem jungen Adligen in seiner nicht hauptamtlichen Tätigkeit nicht geschadet, die er nach anfänglicher Skepsis recht routiniert betreibt. Ein großes Thema der Lichtenberger und seines Bürgermeisters ist die Eröffnung eines spektakulären Konzertsaals Ende August dieses Jahres, „ein Kleinod von Weltrang“.
Er ist mit Granitsplittern in der Decke in einem Stollen angelegt und sorgt für hervorragende Akustik. Der Saal gehört zum Ensemble des Künstlerhauses Marteau, des weltberühmten Violinvirtuosen Henri Marteau (1874 – 1934), in dessen Gedenken eine Begegnungsstätte klassischer Kammermusik geschaffen wurde. Noch spannender scheint für die Lichtenberger das Projekt „Frankenwald-Brücke“ zu werden.
Zwei Fußgänger-Brücken sollen das Lohbachtal (387 Meter) und in weltweit einmaliger Konstruktion das Höllental (1.030 Meter) überqueren. Ein Endpunkt der Höllentalbrücke wäre dann die Lichtenberger Burgruine. Die Planungen sind schon weit vorangeschritten und im den Jahren 2024 und spätestens 2025 soll alles fertig sein. „Die geschätzte Besucherzahl liegt bei 300.000 im Jahr“, erzählt Stadtführer Karl-Heinz Marko. Jetzt bei der Frankenwald-Tour hatte er immerhin drei Stadt-Führungen mit insgesamt 60 Besuchern zu absolvieren, ein Spitzenwert bei den Anmeldungen in der Region.
„Blümchen-Sex“ – auch für Männer
Die letzten Stunden der „24 h Frankenwald“ Tour habe ich am Sonntagvormittag dem Botanische Garten in Hof reserviert. Hier veranstaltet Elfriede Schneider vom Förderverein einen sehr informativen wie auch unterhaltenden Rundgang durch rund zwei Hektar Gartenkultur. Die gelernte Lokaljournalistin wählte dazu die etwas provokative und verlockende Überschrift: „Weibliche Kraft und Blümchen-Sex“, eine Frauenführung, allerdings auch für Männer.
Der Rundgang mit immerhin zehn Teilnehmern, Frauen wie Männern, wird mit einem Glas prickelndem Sekt eröffnet, ehe man sich auf die Spuren großer Forscherinnen der Gartenkultur begibt. Ganz oben an steht die Universalgelehrte Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert, die mit ihrem Heilkräutergarten bis heute hoch anerkanntes Wissen zu einer ganzheitlichen medizinischen Heilung vermittelt. Die mittelalterliche Expertin für Gartenkräuter wird auch zitiert mit den Pflanzen Petersilie und Sellerie, die „dem Mann aufs Pferd und der Frau ins Grab“ helfen:
Petersilie wurde im frühen Mittelalter als Potenzmittel und für Abtreibungen bei schwangeren Frauen eingesetzt. Auch die weniger bekannte Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian ist vertreten, die vor allem mit ihrer akribischen Darstellung von Insekten und Pflanzen hoch geschätzt wurde. Auch der berühmte schwedische Naturforscher Carl von Lineé, der die binäre Nomenklatur der Tierarten und Pflanzen aufstellte und damit den Grundstein für die moderne biologische Systematik legte, schätzte ihre Arbeiten.
Schließlich fand auch der Gelehrte Lineé Einzug in den Rundgang im Botanischen Garten. Um im 18. Jahrhundert mehr Aufmerksamkeit für seine Forschungsergebnisse zu erreichen, beschrieb Lineé die Besonderheiten männlicher und weiblicher Blütenorgane und stellte damals gewagte Vergleiche an zwischen dem Liebesleben der Pflanzen und dem der Menschen. „In den Blütenkelchen finden sich die gleiche Zahl von Ehemännern und -frauen in unbeschwerter Freiheit, aber auch 20 Männer oder mehr im selben Bett mit einer Frau“, schrieb er über die Blütenorgane des Mohns.
Für unzählige solcher recht derber Vergleiche und Metaphern erntete der Naturwissenschaftler einen Sturm der Entrüstung, galt für manche als Verderber der Jugend. Sogar der Dichterfürst Goethe soll empört gewesen sein. Dem Wissenschaftler Carl von Lineé brachte es einen weiteren Titel ein: „Vertreter des Blümchen-Sex“. Auch die Gartenliebhaberin Elfriede Schneider konnte mit dem Thema Blümchen-Sex für die Schönheit des Botanischen Gartens in Hof zusätzliche Aufmerksamkeit schaffen.
Der Fernwehpark
Nur wenige Autominuten südlich von der Stadt Hof ist im Marktflecken Oberkotzau ein kleiner Platz für Reiselust eingerichtet – der Fernwehpark. Die Schilder-Sammlung umfasst etwa 4.000 Ortstafeln und Beschilderungen aus aller Welt. Gründer vor etwa 20 Jahren ist der Dokumentarfilmer Klaus Beer. Er hat jetzt auf der Website des Parks das einstige Anliegen Reiselust umgewidmet zu einer völlig maßlosen Jubel-Arie der offiziellen Pandemie-Politik verbunden mit Hass-Tiraden gegenüber Andersdenkenden.
Im Geiste von Jan Böhmermann (noch ZDF), der kürzlich mit den Ausfällen gegen die Talkshow von Lanz schon einige Kritik auslöste, hier aber noch mehr den Holzhammer schwingend. Dazu Norbert Häring auf den Nachdenkseiten:
„Wir sollten uns nicht spalten und gegeneinander aufbringen lassen. Auf die Stimmen der Geimpften kommt es jetzt besonders an.“ Und die Gesellschaft sollte nicht zulassen, dass solche aggressiven Positionen die öffentliche Meinung zunehmend beherrschen. Ansonsten bekommt für immer mehr Menschen in diesem Land der Name des Parks eine ganz neue Bedeutung – Fernweh in Länder mit realen Grund- und Freiheitsrechten !
Übrigens bin ich, der Autor, auch doppelt geimpft.
Text von Ronald Keusch mit Fotos von Ronald Keusch (15) und K.-H. Marko (1)
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