Montag, Dezember 2, 2024
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Das Tischgebet – heute schon gedankt?

Plädoyer für eine aussterbende gute Angewohnheit

Alles hat seine Zeit“, sagt der Prediger Salomo, und er fährt fort: „Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit, klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit …“ Und danken? Hat das Danken Zeit in unserem Leben? Wir sind schnell dabei zu klagen! Wann aber habt Ihr das letzte Mal bewusst und von Herzen Gott gedankt? Danken hat seine Zeit! Wo der Dank verstummt, entsteht der Hochmut und der verrückte Wahn, dass wir uns alles selbst machen können.

Gründe, eine Mahlzeit ohne zu Gebet beginnen, gibt es viele. Manchmal liegen sie in der eigenen Geschichte, in der christliche Erziehung mit einem Beigeschmack von Unfreiheit vermittelt wurde. Meist ist es aber schlicht ein blinder Fleck – dass es einfach keine Menschen gab, die das Tischgebet in glaubwürdiger Weise praktiziert haben.

Doch es gibt mindestens ebensoviele Gründe dafür. Ein Tischgebet erinnert mich daran, dass ich aus eigener Kraft nicht das allerkleinste Hälmchen wachsen lassen kann. Und ebenso wie in vielen anderen Bereichen des Leben kommt die Kraft für das Keimen und Gedeihen nicht von mir, sondern von dem Gott, dessen schöpferische Handschrift im kleinsten Samenkorn steckt. Wenn Gott uns seine Liebe durch den Magen gehen lässt – warum sollte ich ihm dafür nicht danken? Und zwar nicht nur hin und wieder, sondern regelmäßig. So regelmäßig, wie er mich versorgt.

Warum sollte schon die Angst vor Riten, die angeblich irgendwann inhaltslos und leer sind, mich davon abhalten, eine Mahlzeit mit einem Dank an den Geber aller guten Gaben zu beginnen? Im Gegenteil. Es gibt nämlich auch ausgesprochen gute Gewohnheiten. Das Tischgebet kann so ein hilfreicher, prägenden Ritus sein, gerade weil er – wie das Essen – mitten im oft hektischen Tagesablauf verwurzelt ist! Was sich stetig wiederholt, prägt sich ein. Ganz tief und nachhaltig. Und was kann eigentlich besseres passieren, als das sich einprägt: „Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt, guter Gott, von dir“? Kinder lernen nicht theoretisch, sondern am Vorbild und an dem, was regelmäßig wiederkommt. Alles, was täglich neu entschieden werden muss, ist anstrengend und bleibt meist irgendwann auf der Strecke.

Oft ist das Tischgebet zunächst einmal der bewusste Anfangspunkt für gemeinsames Essen ist. Denn gerade gemeinsame Mahlzeiten drohen im Zeichen von Fast Food, Mikrowelle und gleitender Essenszeiten verloren zu gehen und damit auch ein Stück Gemeinschafts- und Gesprächskultur. Und wenn das Tischgebet dazu beiträgt, dass sich nicht jeder irgendwann irgendetwas in die Mikrowelle schiebt und sich dann mit dem Teller vor den Fernseher hockt, wäre für die schwindende Kultur des Miteinanders doch durchaus etwas gewonnen!

Doch das Tischgebet ist mehr als nur ein Startsignal für den Beginn der Mahlzeit. Es kann dazu beitragen, einem Leben als Christ Gestalt, Form und Ausdruck zu geben. Gerade Eltern, die etwa anlässlich der Taufe ihres Kindes oft eine Unsicherheit empfinden: „Ja, wir würden gern als Christen leben – aber wie machen wir das bloß?“, kann die Einführung des Tischgebets so etwas wie ein Einstieg sein. Was heißt es denn, Kinder christlich zu erziehen? Doch sicher auch, sie Gott gegenüber sprachfähig zu machen. Deshalb sollte es selbstverständlich sein, dass Kinder verstehen, was gebetet wird. Was nicht heißt, dass Tischgebete für Kinder „niedlich“ und platt sind. Lieber ein Tischgebet, in das Kinder sozusagen „hineinwachsen“ müssen als eines, was in falscher Weise kindlich ist. Sonst werden solche Gebete nämlich wie der Weihnachtsmann zu den Akten gelegt, wenn die Kinder größer werden.

Natürlich gilt in jedem Fall: Abwechslung tut gut. Also schadet ein Vorrat an guten Tischgebeten durchaus nicht. Und wem Gesang gegeben, der singe. Ein Tischgebet ist auch kaum dazu geeignet, den Großeltern vorzuführen, wie nett der liebe Enkel schon beten kann. Deshalb ist es durchaus gut, wenn die Eltern das Gebet, ob in fester Form oder hin und wieder auch frei, so lange selbst sprechen, bis die Kinder es ab und zu und ohne den Beigeschmack des „O wie niedlich“ aus freien Stücken übernehmen.

Selbst bei Jugendlichen lohnt es sich, um einen Konsens zu kämpfen. Welche Gebete stimmen noch? Vielleicht gemeinsam einen Moment still sein, wenn die Worte abgenutzt erscheinen? Sicher muss hier jede Familie die Form finden, die zu ihr passt. Wenn dies gelingt, kann das Tischgebet ein wichtiger Zugang werden zu der wichtigen Kraftquelle, aus der wir als Christen leben dürfen: das Gebet.

Pfarrer: Matthias Clever

Bearbeiter: AM

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