Ein zu hohes Alter des Vaters birgt mehr Gefahren für die Gesundheit des Kindes und der Mutter, als bisher angenommen worden ist. Zu dieser Erkenntnis kommen in den letzten Jahren immer mehr Studien.
Dass die reifere Frau ein erhöhtes Risiko in sich trägt, dass ihr Baby möglicherweise mit einer Behinderung zur Welt kommt, ist schon lange eine bekannte Tatsache. Eine Ursache dafür ist zum Beispiel, dass die Eizellen längere Zeit der natürlichen radioaktiven und kosmischen Strahlung ausgesetzt sind mit der möglichen Folge der Veränderung einzelner Gene.
Beim Mann wurde eine solche Gefahr stets verneint, weil dieser seine Samenzellen täglich ganz neu und frisch produziert. Doch so langsam geht den Wissenschaftlern ein Licht auf, denn es formiert sich zunehmend die Vermutung, dass deutlich mehr Erkrankungen als bislang angenommen in einem Zusammenhang mit dem höheren Alter des Vaters stehen. So jedenfalls argumentiert eine relativ neue Studie von der Stanford University, die in der Sache einen Bezug zur nachlassenden Spermien-Qualität herstellt.
Das Alter des Vaters beeinflusst die Gesundheit von Mutter und Kind
Erkrankungen, Behinderungen oder Fehlbildungen beim Kind wie das Downsyndrom oder späterer Bluthochdruck und Diabetes wurden bislang auf ein relativ hohes Alter der Mütter zurückgeführt. Daraus wurde der allgemeine Rat abgeleitet, dass Frauen ihr letztes Kind möglichst vor dem 40. Geburtstag kriegen sollten. Dagegen war das Alter des Vaters kaum ein Thema, es sei denn, dass jemand mit großem Stolz darüber berichtete, dass er mit 65 Jahren noch mal Vater geworden ist.
Doch nach neuesten Erkenntnissen kann ein höheres Alter des Vaters zu Komplikationen bei Mutter und Kind führen. Ein Forscherteam der Scool of Medicine von der Stanford University südlich von San Francisco werteten die Daten von über 40 Millionen Lebendgeburten aus, die in der Zeit von 2007 bis 2016 stattgefunden haben. In diesem Zuge wurde der Fokus auch auf folgende Parameter gelegt:
- Frühgeburt
- zu geringes Geburtsgewicht
- Atemhilfe war erforderlich
- Aufenthalt in der Intensivstation
- Verabreichung von Antibiotika
- Krampfanfall
- Schwangerschaftsdiabetes beziehungsweise Schwangerschaftsvergiftung bei der Mutter
Vor diesem Hintergrund wurde das Augenmerk auch auf das Alter der Väter gelegt, indem diese den Gruppen „über 45 Jahre“ und dem „Altersintervall von 25 bis 34 Jahre“ zugeordnet wurden. Diese Gegenüberstellung zeigte recht deutlich, dass es bei den Schwangeren mit den älteren Partnern vermehrt zu Komplikationen gekommen ist.
Bei Vätern über 45 Jahre kam es signifikant häufiger zu Frühgeburten und/oder einem zu niedrigen Geburtsgewicht. Rein statistisch korrelierten Schwangerschaftsdiabetes der Mutter zu 18 Prozent und Frühgeburten zu 13 Prozent mit dem Alter des Vaters. Babys alter Väter benötigten zudem besonders häufig Atemunterstützung.
Weitere Studien untermauern den Einfluss des Alters des Vaters
Ein anderes Wissenschaftlerteam von der New York Medical School stellte fest, dass Mütter mit relativ alten Partnern unabhängig vom eigenen Alter relativ oft an Schwangerschafts-Bluthochdruck leiden. Dieser ist deshalb so gefährlich, weil dadurch die Nieren versagen und innere Blutungen auftreten können mit der Folge, dass das Kind im Mutterleib erstickt.
Mediziner von der dänischen Universität Aarhus veröffentlichten ein Ergebnis, das in die gleiche Richtung weist: Wenn die Väter zum Zeitpunkt der Zeugung schon jenseits der 50 angekommen sind, verdoppelt sich das Risiko für eine Geburt vor der 32. Schwangerschaftswoche. Die Vergleichsgruppe bestand in diesem Fall aus Vätern unter 25. Die zu früh geborenen Kinder tragen ein doppeltes Risiko dafür, ihren ersten Geburtstag nicht zu erleben.
Biowissenschaftler des Karolinska Instituts in Schweden wiesen nach, dass Blutkrebs und Hirntumore bei Kindern älterer Väter signifikant häufiger vorkommen. Es gibt inzwischen sogar Hinweise darauf, dass zu alte Väter auch für psychische Erkrankungen verantwortlich sein könnten.
Genetische Defekte durch zu alte Väter?
Jene Stammzellen, die für die Bildung der männlichen Spermien zuständig sind, haben sich bei einem 50-Jährigen schon ungefähr 600 Mal geteilt. Jede weitere Teilung erhöht die Gefahr vereinzelter Fehlerbildungen im Erbgut. So erklärt es Peter Propping, der Humangenetiker an der Universität Bonn ist und den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik innehat.
Zudem verschlechtern sich mit zunehmendem Alter die zellulären Reparaturmechanismen. Bei älteren Vätern steigt damit das Risiko für bestimmte Erkrankungen, die auf derartigen Punktmutationen basieren, bis zum Vierfachen an. Ein dazu gehörendes Beispiel ist unter anderem die Chondrodysplasie, das ist eine Fehlbildung des Skeletts, die mit Zwergwuchs einhergeht. Das Apert-Syndrom ist durch eine Verformung des Schädelknochens gekennzeichnet.
Neurofibromatosen gehören zu den Erbkrankheiten, die die Bildung von Nerventumoren begünstigt. Das Marfan-Syndrom trifft auf besonders hochgewachsene Menschen zu, die typischerweise sehr lange, dünne Finger haben. Sie sind stark gefährdet, einen plötzlichen Riss der Hauptschlagader zu erleiden und daran zu sterben.
Darüber hinaus werden, wenn auch sehr selten, merkwürdige Verknöcherungen der Muskulatur beobachtet, die ebenfalls auf eine Mutation zurückgehen. Dass sich die Erkenntnis mehr und mehr durchsetzt, dass derartige Erkrankungen in Verbindung mit dem Alter des Vaters stehen, ist auch an den neueren, strengeren Auflagen für Samenspender zu erkennen. Hier wird eine klare Altersgrenze von 40 Jahren vorgegeben.
Häufung von Schizophrenie und Autismus
Es ist eine starke Aussage: Schizophrenie tritt unter den Kindern von 40-jährigen Vätern doppelt so oft auf wie unter Kindern von 30-jährigen Vätern. Die Psychologen der Universität Bristol interpretieren ihre groß angelegten Studien jedenfalls so, dass über 15 Prozent aller schizophrenen Kinder deshalb erkranken, weil ihre Väter älter als 30 Jahre waren, als sie sie gezeugt haben.
Eine ähnliche Aussage lässt sich beim Autismus formulieren: Kinder von Vätern über 50 sind zweifach so oft autistisch wie Kinder von Vätern unter 29 Jahre, so das Resumee der Mediziner von der Mount Sinai School of Medicine in New York.
Sogar die Intelligenz der Kinder scheint etwas über das Alter ihrer Väter zu verraten. Jedenfalls glauben dies Wissenschaftler von der New Yorker Columbia Universität. Sie stellten fest, dass Kinder von Vätern über 50 im Durchschnitt sechs IQ-Punkte weniger erreichen als jene Kinder, deren Väter um 20 Jahre alt sind.
Junge Spermien alter Väter?
Schon seit längerer Zeit vermuten einige Forscher, dass die Qualität der Spermien mit zunehmendem Alter des Mannes nachlässt. Anlass dazu gaben die Ergebnisse einer relativ frühen Studie, an der mehr als 5.000 Männer zwischen 16 und 72 Jahren teilnahmen. Das damalige Ergebnis war noch recht einfach und undifferenziert: Bei Männern über 35 Jahre sinkt sowohl die Quantität als auch die Qualität der Spermien mit der Folge, dass die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bei den Partnerinnen dieser Männer geringer wird.
Fazit:
Bei deutschen Männern gibt es einen eindeutigen Trend: die deutlich jüngere zweite Frau zur Familiengründung. Gemäß Statistischen Bundesamtes waren hierzulande zur Jahrtausendwende fast 70.000 frisch gebackene Väter schon älter als 40 Jahre. Zehn Jahre später waren es schon 117.000 an der Zahl. Jene Ausnahme-Väter, die schon die 70er Schallmauer durchbrochen haben, nahmen ebenfalls noch um ungefähr 20 Prozent zu.
Wenngleich noch einiges, was die Kausalität zwischen der Gesundheit der Kinder und dem Alter des Vaters anbetrifft, noch längst nicht bis ins letzte Detail bewiesen ist, sollten wir vielleicht grundsätzlich versuchen zu akzeptieren, dass die Natur ihren eigenen großen Plan verfolgt. Ein Punkt davon, und das hat nichts mit Altersdiskriminierung zu tun, sondern ist eher eine philosophische Frage, geht in die Richtung, dass der Altersunterschied zwischen Eltern und Kindern ein vernünftiges, natürliches Verhältnis aufweisen sollte.