Der gesellschaftliche Trend hält seit den 1970er Jahren an: Mütter werden immer älter. Längere Ausbildungszeiten, der Wunsch nach Karriere und finanzieller Sicherheit oder der fehlende Partner sind bekannte Gründe für das Verschieben der Familiengründung. Aber auch die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin tragen dazu bei, dass der Kinderwunsch immer häufiger vertagt wird und die Zahl später Schwangerschaften zunimmt.
Heute ist fast ein Viertel der Mütter in Deutschland bei der Geburt älter als 35 Jahre. Damit gilt ihre Schwangerschaft als eine Risikoschwangerschaft. Fünf Prozent der Mütter sind bereits über 40 Jahre. „Dank der modernen Schwangerschaftsvorsorge können wir die Risiken meist gut beherrschen. Dennoch sollten Frauen die Entscheidung für eine späte Schwangerschaft gut aufgeklärt treffen und wissen, dass die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen während der Schwangerschaft mit zunehmendem Alter steigt“, sagt Frauenarzt Prof. Dr. Friedrich Wolff aus dem Vorstand der Ärzteorganisation GenoGyn.
So ist vielen Frauen bei der Familienplanung nicht bewusst, dass die Fruchtbarkeit bereits ab 30 abnimmt. Ab 35 Jahren sinkt sie deutlich, und die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, geht ab 45 gegen Null.
Mit zunehmendem Alter der Mutter steigt die Rate der Fehlgeburten (Aborte) in der Frühschwangerschaft aufgrund von Chromosomenveränderungen oder Myomen. Auch Mehrlingsschwangerschaften, die per se risikoreicher sind, kommen in höherem Alter durch die Kinderwunschbehandlungen häufiger vor.
Mütterliche Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Adipositas oder Diabetes mellitus Typ 2 nehmen ebenfalls mit steigendem Alter zu. Damit wiederum wächst die Gefahr von Schwangerschaftserkrankungen wie Gestationsdiabetes und Präeklampsie. „Schwangeren über 35 Jahren stehen deshalb in Deutschland zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen zu.
Dazu gehören weitere Ultraschalluntersuchungen und die Aufklärung über das sogenannte Erst-Trimester-Screening, das die Ultraschalluntersuchung zur Messung der Nackentransparenz beinhaltet und mithilfe pränataler Diagnoseverfahren Hinweise auf eine mögliche Chromosomenstörung beim Baby geben kann“, so Prof. Wolff. Bei 25-jährigen Müttern ist statistisch 1 von 1.250 Kindern von einer Trisomie 21 betroffen, bei 35-jährigen 1 von 380 und bei 40-jährigen Müttern 1 von 109 Kindern.
An Schwangerschaftsdiabetes, medizinisch Gestationsdiabetes (GDM), erkranken heute 13,2 Prozent aller Schwangeren in Deutschland. Übergewicht, Adipositas und eben das Alter der Mütter sind Risikofaktoren für die Stoffwechselstörung. Unbehandelt können die erhöhten Blutzuckerwerte dazu führen, dass das Baby zu groß und zu schwer wird.
Neben vermehrten Geburtskomplikationen drohen dem Neugeborenen Unterzuckerung, Gelbsucht und das Atemnotsyndrom sowie eine lebenslange Disposition zu Übergewicht und Diabetes. Jede zweite Frau nach einem GDM entwickelt zudem innerhalb von zehn Jahren einen manifesten Typ-2-Diabetes. „Eine gute Gewichtskontrolle in der Schwangerschaft ist deshalb für ältere Schwangere besonders wichtig“, so Prof. Wolff. Sie sollten nicht mehr als 15 Kilogramm zunehmen, um Entgleisungen des Blutzuckers zu vermeiden.
„Beim Screening auf GDM zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche sollte unbedingt der sogenannte ‚75-Gramm-Diagnosetest’ verwendet werden, da mit dem in den Mutterschaftsrichtlinien dafür vorgesehenen ‚50 g Suchtest’ mindestens jeder fünfte Fall unerkannt bleibt“, so der Vorstandsvertreter der GenoGyn. Frauen, die eine späte Familiengründung planen, rät er zur Vermeidung eines GDM deshalb, schlank zu bleiben. Starkes Übergewicht vermindert zudem die Fruchtbarkeit und bedeutet ein höheres Risiko für Fehlbildungen des Kindes. Auch Geburtseinleitung und Kaiserschnitt sind bei Adipositas häufiger.
Das mütterliche Alter ist ebenfalls ein unabhängiger Risikofaktor für die gefürchtete Präeklampsie, die durch erhöhten Blutdruck, vermehrte Eiweißausscheidung im Urin sowie Wassereinlagerungen gekennzeichnet ist und Krampfanfälle oder eine vorzeitige Ablösung des Mutterkuchens verursachen und damit lebensbedrohliche Folgen für Mutter und Kind haben kann.
„Dieser Schwangerschaftserkrankung kann man nicht vorbeugen“, erklärt Prof. Wolff. „Für die Früherkennung muss die Vorgeschichte der Patientin mit Blick auf familiäres Auftreten der Erkrankung, vorangehende Schwangerschaften und bestehende Erkrankungen genau erfasst werden.
Eine Doppler-Ultraschalluntersuchung der Gebärmutterarterien zeigt typische Veränderungen für ein späteres Auftreten einer Präeklampsie. Gegebenenfalls kann ab der 13. Schwangerschaftswoche eine vorbeugende Behandlung mit Acetylsalicylsäure erfolgen.“ Biomarker (sFlt-1/PIGF-Quotient) aus dem mütterlichen Blut bieten heute bei Risikopatientinnen neue Diagnosemöglichkeiten zur Früherkennung der akuten oder drohenden Präeklampsie.
Auch und besonders im Vorfeld später Schwangerschaften empfehlen die Frauenärzte der GenoGyn die prophylaktische Einnahme von Folsäure, um vor allem Neuralrohr-Defekten vorzubeugen. „Vegane oder andere spezielle Ernährungsformen sollten unbedingt mit dem Frauenarzt besprochen werden, um mögliche Defizite etwa bei der Eiweißzufuhr auszugleichen“, sagt Prof. Wolff.
Spätgebärenden rät der Kölner Frauenarzt zudem, sich wegen der erhöhten Geburtsrisiken und höheren Kaiserschnittrate eine Geburtsklinik mit medizinischer Maximalversorgung und angeschlossener Kinderstation auszusuchen, um etwaigen Komplikationen bestmöglich begegnen zu können.