Es geht um die Bewegung und den Bewegungsdrang kleiner Kinder. Im April 2019 ließ sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dazu hinreißen, eine Empfehlung abzugeben, darüber, wie viel Zeit sich Kleinkinder bis fünf Jahre pro Tag bewegen sollten.
Parallel dazu gab es sogleich auch eine Empfehlung über die Bildschirmzeit. Das ist schön, schließt doch die WHO damit eine klaffende Lücke, denn bislang wurde ja nur über das Bewegungsmaß von Kindern über fünf Jahren diskutiert.
Erstmals WHO Empfehlungen für Kleinkinder aufgestellt
Der massiv zunehmende, durchaus auch diversifiziertere Medienkonsum hat Folgen bei unseren Kindern: Überforderung, Schlaflosigkeit, mangelhafte Sprachentwicklung und Übergewicht sind nur einige davon. Im Grunde genommen sollten wir das alles schon wissen, denn Entwicklungspsychologen und Mediziner warnen seit vielen Jahren vor diesen Zusammenhängen. Aber es ist ja doch so bequem, die kleinen Zappelgeister irgendwie zu beschäftigen, damit man mal seine Ruhe hat.
Das Thema Bewegung war und ist wichtig für die WHO, deren frühere Schätzungen bereits davon ausgingen, dass weltweit jährlich circa fünf Millionen Menschen aufgrund Bewegungsmangels sterben. Wir müssen heute leider feststellen, dass sich in etwa 23 Prozent der erwachsenen Menschen und sogar 80 Prozent der Jugendlichen zu wenig bewegen.
Kinder ab fünf Jahre sollen jeden Tag mindestens eine Stunde körperlich aktiv sein, das bedeutet durchgehend moderate bis anstrengende Bewegungen, um sich körperlich gesund entwickeln zu können. Mindestens dreimal pro Woche sollten sie ihren Körper richtig fordern und damit ihre Kraft und Ausdauer fördern. Doch für Kleinkinder gab es derartige konkrete Empfehlungen noch nicht.
Woher nun der Sinneswandel bei der WHO?
Bis zu diesen Empfehlungen war es ein langer Weg, auf dem Wissenschaftler jahrelang viele Studien auswerteten, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Bewegung und Gesundheit bei Kleinkindern beschäftigten. Dabei wurden praktisch alle kindlichen Aktivitäten angefangen beim Krabbeln, Stehen, Gehen, Rennen und Springen, aber auch das Balancieren, Tanzen, Klettern, Radfahren oder Seilhüpfen in die Waagschale geworfen.
Was die WHO hierbei sehr gut gemacht hat, das war der Bogen, den sie als gesundheitliche Interaktion zwischen körperlicher Aktivität und ausreichendem Schlaf gespannt hat, denn der gesunde Schlaf ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die geistige, körperliche und psychosoziale Entwicklung eines Kindes. Bezeichnend ist in vielen Studien, dass jene Kinder, die nur wenig schlafen, signifikant häufiger Übergewicht und als Jugendliche psychische Probleme haben.
Aktuellen Empfehlungen der WHO
Und so sehen die aktuellen Empfehlungen der WHO mit Blick auf die unterschiedlichen Altersgruppen aus, wobei hier stets der Bezugszeitraum von 24 Stunden vorausgesetzt wird:
Babys bis 12 Monate
Bis zum Alter von drei Monaten sollten Babys 14 bis 17 Stunden schlafen. Danach darf sich die tägliche Schlafdauer auf 12 bis 16 Stunden reduzieren. Die körperlich aktive Phase sollte insgesamt mindestens eine halbe Stunde ergeben. Dabei können Eltern ihre Kinder spielerisch unterstützen. Bei den ganz Kleinen zählt bereits das Liegen auf dem Bauch zu den relativ anstrengenden Positionen.
Sitzend vor dem Fernseher sollen so kleine Kinder noch gar keine Zeit verbringen. Wenn die Sitzposition nicht zu umgehen ist, sollte dem Kleinkind zur Kurzweil eine Geschichte erzählt oder ein Kinderbuch vorgelesen werden. Zwar ist zuweilen das Fixieren von Kindern zum Beispiel im Autositz, im Kinderwagen oder in einem Tragegurt notwendig, dennoch sollte diese Zeit unbedingt auf höchstens eine Stunde beschränkt werden.
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Kleinkinder bis zwei Jahre
Inklusive des Mittagsschlafes bekommt das Kleinkind jetzt 11 bis 14 Stunden Schlaf. Hilfreich ist, wenn die Einschlaf- und Aufwachzeiten täglich gleich gehandhabt werden können. Die körperliche Aktivität darf nun insgesamt auf drei Stunden ausgedehnt werden, wobei die Bewegungen abwechslungsreich und so anstrengend sein sollten, dass das Kind mal etwas außer Atem kommt.
Auch diese kleinen Kinder haben vor dem Fernseher noch nichts zu suchen. Eine maximal einstündige Fixierung, die durch Bücher und Geschichten aufgehellt wird, gilt hier ebenfalls.
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Drei- bis vierjährige Kinder
Der gesunde Schlaf beträgt jetzt 10 bis 13 Stunden und der Mittagsschlaf ist optional. Regelmäßige Schlafenszeiten sind für alle Beteiligten überaus ratsam. Auch für diese Kinder gilt, dass sie sich wenigstens drei Stunden pro Tag ordentlich bewegen müssen, wobei eine ganze Stunde davon durchaus etwas anstrengender und pulsjagend sein darf.
Rennen, Radfahren, mit dem Ball spielen, Tanzen und Schwimmen können und sollen dabei im Wechsel stattfinden. Das Sitzen vor dem Bildschirm ist jetzt kein Tabu mehr, aber sollte unbedingt auf eine Stunde begrenzt werden. Das Fixieren des Kindes bleibt nach wie vor auf 60 Minuten begrenzt.
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Die WHO nimmt Stellung
Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus ist Direktor bei der WHO. Im Rahmen der Pressemitteilung über die Empfehlungen merkt er noch an, dass die frühe Kindheit ganz entscheidend ist für die Entwicklung eines Menschen. Daher ist diese kurze Lebensphase so wichtig für die Grundsteinlegung guter Gewohnheiten, die die Gesundheit befördern. Und genau das ist eine zentrale Aufgabe der Eltern.
Mit der klaren Botschaft, dass Babys und Kleinkinder weniger sitzen, aber sich mehr bewegen und spielen sollten, verfolgt die WHO das hehre Ziel, langfristig das gefährliche Übergewicht bereits bei den Kindern zu bekämpfen. Die Empfehlungen der WHO gelten übrigens gleichermaßen für Länder mit hohem, mittleren oder eher niedrigem Durchschnittseinkommen.
Die nächste Aktualisierung ist in zehn Jahren angedacht. Diese richtigen Empfehlungen der WHO nun mit Leben zu erfüllen, das ist unser aller Aufgabe, insbesondere derjenigen, die gerade frisch gebackene Eltern geworden sind. Kinderwagen, Hochstühle und Sitzwippen sind wahrlich wichtige Utensilien im Alltag, nicht zuletzt für die Sicherheit und Unversehrtheit unserer Kinder, wenn wir sie mal kurz aus den Augen lassen müssen. Doch die Betonung liegt hierbei auf „kurz“, so interpretieren wir die neue WHO-Empfehlung.