Die Tatsache, dass in Deutschland die Leihmutterschaft verboten ist, bewegt viele Paare ins Ausland, um sich dort ihren Kinderwunsch erfüllen zu lassen. Doch das „Imperium schlägt zurück“, immer dann, wenn es, zurück in Deutschland, um die Formsache des Kindschaftsverhältnisses geht.
Um besser zu verstehen, wo hierbei überall formalrechtliche Probleme konstruiert werden können, möchten wir den besonderen Fall eines Paares aus Nordrhein-Westfalen vorstellen, dessen Kind durch eine freundliche Ukrainerin ausgetragen wurde.
Das Standesamt in Kiew hat, wie geheißen, die deutschen Eltern formal als solche anerkannt, was dort auch nicht auf großartige Gegenwehr stieß, trägt doch das Kind allein die Gene seiner deutschen Eltern in allen seinen Körperzellen. Aber der Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) hat da mal wieder so seine eigene sonderbare Sicht auf die Dinge.
Das deutsche Gesetz zur Leihmutterschaft
Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verbietet es Ärzten und Ärztinnen im Falle einer Leihmutterschaft mitzuwirken. In Deutschland darf also kein Arzt eine befruchtete Eizelle in eine andere Frau einpflanzen. Auch eine Schwangerschaft herbeizuführen, mit dem Ziel, dass der Fötus dann durch eine andere Frau ausgetragen wird, ist gemäß § 1 Abs. 1 EschG eine Straftat. Dagegen machen sich die den Auftrag gebenden Eltern sowie die Leihmütter nicht strafbar.
Aber die Vermittlung von Leihmüttern ist unter Anwendung des Adoptionsvermittlungsgesetzes ebenfalls verboten. In dieser rechtlichen Gemengelage, die zugegeben etwas verwirrend ist, wirft das Umgehen der bestehenden Verbote grundsätzlich eine zivilrechtliche Frage nach der Mutterschaft auf. Denn in Deutschland gilt das Bürgerliche Gesetzbuch und somit auch § 1591 BGB, der da sagt:
„Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“
Auch in etlichen anderen Ländern Europas ist das Austragen von Kindern durch Leihmütter verboten. Doch es gibt Ausnahmen, allen voran Großbritannien, die Niederlande, Belgien und die Ukraine. In den USA zum Beispiel gibt es spezielle Vermittlungsagenturen, die sich gezielt an homosexuelle Paare oder Transgender wenden, und damit werben, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, seinen Kinderwunsch umzusetzen.
Aber es lohnt sich ja auch, so zu denken, denn in den USA lässt eine Leihmutterschaft die Dollars rollen. Die Kosten für die Vermittlungsagentur, die Anwaltsgebühren und die Leihmutter machen immer einige 10.000 US-Dollar aus. Dafür sind dann die rechtlichen Hürden überschaubar und überwindbar.
Nun ist aber die Rechtsauffassung unseres Auswärtigen Amtes etwas eigenwillig, denn nach dessen Kalkül sind diejenigen, die mit Ei und Samenzelle im Ausland einen doch recht erheblichen Beitrag für das Zustandekommen des Kindes geleistet haben, mit diesem gar nicht verwandt. Es besteht also absolut keine Veranlassung, dass das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit haben sollte. Ein solches ausländisches Kind kriegt selbstverständlich keinen deutschen Pass.
Das neueste Urteil des BGH
Vor Kurzem hat kein Geringerer als der BGH in der Sache deutsches Recht gesprochen. Demgemäß kann sich eine Frau beim Standesamt nicht als Mutter eines durch eine ukrainische Leihmutter ausgetragenen Kindes eintragen lassen. Sehr wohl ist aber eine Adoption des Kindes möglich. So jedenfalls lautet der veröffentlichte Beschluss des Bundesgerichtshofs. (Az. XII ZB 530/17)
Damit bestätigten die Karlsruher Richter eine entsprechende vorangegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm. Der ukrainischen Leihmutter war in diesem Fall die Eizelle einer deutschen Frau implantiert worden, die zuvor künstlich mit dem Sperma des Ehemanns der Deutschen befruchtet worden war.
Das daraus entstandene Kind wurde im Dezember 2015 in Kiew geboren. Das Standesamt in Kiew hat als Eltern das deutsche Ehepaar registriert und die Geburtsurkunde entsprechend ausgestellt. Doch in Deutschland wurde das zuständige Standesamt gerichtlich angewiesen, die ukrainische Leihmutter in die Geburtsurkunde einzutragen.
Es geht auch anders
Im Jahre 2014 wurden in Berlin zwei schwule Lebenspartner als Eltern eines Kindes anerkannt, das in Kalifornien geboren worden ist. Auch in diesem Fall spielte eine Leihmutter eine Hauptrolle. Der Samen stammte von einem der beiden Männer, während die Eizelle gespendet worden war.
2018 entschied der BGH bei Zwillingen zugunsten einer deutschen Mutter, die eigentlich mit den Kindern gar nichts zu tun hatte, lediglich der Samen stammte von ihrem Ehemann und die befruchtete Eizelle wurde von einer Leihmutter in Colorado ausgetragen. Aber beide Fälle verbindet eine Besonderheit: Es waren US-Gerichte, die noch vor der jeweiligen Geburt des Kindes die Elternschaft der deutschen Paare bestätigt hatten. Und wer mag im devoten Deutschland schon anders als ein US-Gericht entscheiden?
Nun ist der aktuelle Fall mit der ukrainischen Leihmutter selbstverständlich ganz anders gelagert, weil keine Entscheidung eines Gerichts, in diesem Fall eben aus der Ukraine, vorliegt. Unsere Richter fühlen sich doch nicht an eine Eintragung gebunden, die von einem Sachbearbeiter in einem ukrainischen Standesamt gemacht wurde. In solchen Fällen verwendet unsere Justiz immer gern den Begriff „nicht maßgeblich“.
Es galt also, juristisch zu prüfen, ob die Abstammung nach deutschem oder ukrainischem Recht zu beurteilen sei. Das Kind wurde jedenfalls sogleich nach seiner Geburt nach Deutschland gebracht und lebt seither durchgehend in Deutschland. Daher ist der entsprechende Paragraph unseres Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden. Die Richter begründeten weiter, dass es „nicht ausschlaggebend“ ist, dass die Leihmutter das Kind nicht selbst behalten möchte.
Die Ablehnung der Leihmutterschaft ist Mainstream
Die Ablehnung der Leihmutterschaft ist im politischen Deutschland en vogue, denn dieser Mainstream hat ausnahmsweise alle Parteien gleichermaßen im Griff. Demagogische Argumente lassen sich da schnell aus der Luft greifen. Für die Einen ist das Ganze nur ein weiteres Indiz für unsere individualisierte, völlig dekadente Gesellschaft und Andere sehen darin die Ausbeutung des weiblichen Körpers oder einfach nur den Untergang der klassischen Familie.
Was sicherlich auf dem Prüfstand stehen sollte, sind die wirtschaftlichen Interessen, die mit der Leihmutterschaft verbunden worden sind. Großbritannien geht zum Beispiel den konsequenten Weg, dass in diesem Zusammen überhaupt kein Geld fließen darf. Der Staat Israel subventioniert das Verfahren sogar im Falle heterosexueller Paare mit israelischer Staatsbürgerschaft, die auf natürlichem Wege keine Kinder kriegen können. Doch in vielen anderen Ländern ist die Leihmutterschaft zum Wirtschaftsfaktor erhoben worden. Dies gilt unter anderem für Kambodscha, Laos, Bangladesch, einige US-Bundesstaaten und die Ukraine.
Psychologische Aspekte
Die Auswirkungen der Leihmutterschaft auf die beteiligten Menschen bedürfen noch eingehenderer Beforschung. Polly Casey arbeitet am „Centre for Family Research“, das an der „University of Cambridge“ angesiedelt ist. In ihrer Studie wurden insgesamt 198 Familien unter die Lupe genommen, 39 davon hatten Kinder, die von Leihmüttern ausgetragen worden waren. In den meisten Fällen verstanden sich das unfruchtbare Paar mit der Leihmutter sehr gut und pflegten noch lange den freundschaftlichen Kontakt.
Natürlich kann niemand ausschließen, dass eine Leihmutter von der Geburt des Kindes emotional so überwältigt sein kann, dass sie das Kind als ihr eigenes ansieht und nicht mehr hergeben will. Auch wenn man diese Situation im Vorfeld juristisch klar regeln kann, will niemand, dass am Ende eine zutiefst unglückliche, deprimierte Leihmutter auf der Strecke bleibt.
Leihmutterschaft ist in Deutschland zu einem Tabu gemacht worden. Sinnvoll ist das aber sicher nicht, denn in unserer Lebenswelt gilt: Was machbar ist, wird gemacht. Und deshalb brauchen wir auch hierzulande für alle Beteiligte vernünftige, faire Spielregeln.
Ergänzend hierzu auch die Anmerkung der Experten:
Regenbogenfamilien, künstliche Befruchtung, Eizellen- oder Embryospenden – Gesellschaft und Medizin haben sich in puncto Familie enorm geändert. Während die vielfältigen Konstellationen der Elternschaft mittlerweile immer häufiger gelebt werden, hängt das deutsche Abstammungsrecht.
https://magazin.adeba.de/regenbogenfamilie-2-0-von-mit-muettern-und-stiefvaetern/