Viele berufstätige Frauen sind in Deutschland überfordert, was sich in der dramatischen Zunahme von Burn-out-Situationen widerspiegelt. Das dem Zugrunde liegende hohe Maß an Stress bei der Mutter paust sich direkt auf ihre Kinder durch. Ein damit verbundenes Phänomen kann Übergewicht bei Kindern sein.
Trotz der Existenz eines Partners fühlt sich jede dritte Frau wie eine alleinerziehende Mutter. Das Leben in der modernen Gesellschaft ist sehr kompliziert geworden. Jeder Mensch ist für so viele Dinge gleichzeitig verantwortlich. Alles zusammen baut einen schier unerträglichen Druck auf.
Stress bei der Mutter hat viele Facetten
Das Markt- und Medienforschungsinstitut „rheingold“ hat sich des Themas mit der „Frauenstudie Working Mom“ angenommen. Studienleiterin war die Diplom-Psychologin Birgit Langebartels. Sie konstatiert darin, dass sich die Erwartungen an Frauen geradezu potenziert haben. Die Abschaffung der alten Rollenverteilung habe zwar zu einem Zugewinn an Selbstbestimmung und Freiheit geführt, beschert aber den Frauen durch die neue Kultur des „Alles ist möglich“ den Zwang, gleichzeitig alle nur erdenklichen Rollen annehmen zu müssen:
- Fürsorgliche Mutter
- Beste Freundin
- Karrierefrau
- Sexy Liebhaberin
- Pflegekraft für die eigenen Eltern
Da die meisten Frauen zu einem hohen Maß zu Selbstkritik neigen, ergibt sich in der Summe ein nicht mehr zu bewältigender Druck, der schließlich in ein Burn-out münden muss.
Birgit Langebartels sieht in der modernen Frau die „perfekte Alleskönnerin“ und fragt, warum eigentlich so viele Frauen einen dermaßen ausgeprägten Perfektionismus an den Tag legen? Dabei vergessen sie, dass die meisten Mütter vor 30 oder 40 Jahren gar nicht berufstätig waren, sondern sich ganz und gar ihrer Familie samt Kindererziehung verschrieben haben und allein damit alle Hände voll zu tun hatten.
Der Stress der Mutter als Ursache für Übergewicht bei Kindern
Kleine Kinder haben ein feines Gespür für den Stress ihrer Mutter. Vor diesem Hintergrund wurde eine Mutter-Kind-Studie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) durchgeführt. Demnach sind vor allem Mädchen von einer deutlichen Gewichtszunahme im Falle einer gestressten Mutter betroffen. Die Forscher waren besonders an den psychologischen Einflüssen auf das Gewicht der Kinder bis zu fünf Jahren interessiert.
Die Ernährungswissenschaftlerin Kristin Junge fand heraus, dass insbesondere das erste Lebensjahr des Kindes ganz entscheidend für die spätere Entwicklung seines Gewichts ist. Wenn die Mutter während des ersten Lebensjahres des Kindes stressgeplagt ist, sei beim Kind ein erhöhter Body-Mass-Index geradezu vorprogrammiert.
Andere Studien zu diesem Thema haben bereits gezeigt, dass Jungen die Stress-Situation ihrer Mutter möglicherweise weniger intensiv wahrnehmen. Dagegen hat Stress während der Schwangerschaft oder im zweiten Lebensjahr des Kindes kaum signifikante Auswirkungen auf die Entwicklung des Gewichts von Jungen und Mädchen.
Frauen mussten sich behaupten
Vielleicht sind es rudimentäre, unbewusste Reste der demütig empfangenen Rückstellung der Frau durch die Männergesellschaft, die Frauen dazu antreibt, alles besonders perfekt machen und sich ständig beweisen zu müssen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang der lange, beschwerliche Weg der Frauen, überhaupt in der Wissenschaft Fuß fassen zu dürfen. Noch während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts traute man dem weiblichen Gehirn keine nennenswerten abstrakten Leistungen zu.
Das Gegenteil gegen hoffnungslos festgefahrene Vorurteile zu beweisen, war starker Tobak für die wissenschaftlichen Pionierinnen jener dunklen Zeiten. Da wird man das Gefühl nicht los, dass viele junge Frauen noch heute von diesem Kampfgeist geprägt sind. Den verräterischen Gedanken, sich auch mal helfen zu lassen, womöglich noch von einem Mann, schieben die Frauen immer wieder von sich weg, mit fatalen Folgen.
Es ist daher von existenzieller Bedeutung, dass Frauen lernen, und dies so annehmen können, „einen Gang herunter zu schalten“, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen zu entwickeln. Dass sie nicht immer alles ganz alleine schaffen können, das wissen sie ja auch. Fang deshalb gleich mit den kleinen Dingen an.
Dazu ein banales Beispiel: Zwar hieß es, dass es besser ist, wenn die Mütter zur Schulfeier selbst gebackenen Kuchen mitbringen, aber darüber kannst Du Dich völlig problemlos hinwegsetzen. Sei Dir sicher, dass ein paar gekaufte Stückchen Apfelkuchen ebenso schnell und mit Appetit weggeputzt werden.
Und wenn Du am liebsten mal einen wichtigen Termin verschieben würdest, weil jener Tag ohnehin schon so vollgepackt ist, dann probiere es doch einfach aus. Du wirst sehen, wie einfach das geht, denn der Gesprächspartner hat vielleicht selbst zu diesem Zeitpunkt noch etwas Anderes vor.
Die Rolle des Partners
Die Position der Männer hat sich verändert, weil sich die Männer (in Deutschland) echt gebessert haben. Frauen können heute endlich auf Augenhöhe mit Männern kommunizieren und werden in aller Regel wertgeschätzt. Natürlich sollten und müssen Zuständigkeiten geklärt werden, aber dann gilt doch „leben und leben lassen“ für alle Beteiligten gleichermaßen.
Abschließende Bemerkung:
„Nobody is perfect“ solltest Du zu Deinem allgegenwärtigen Wahlspruch machen. Gewisse Ansprüche an sich selbst zu stellen, ist gut und richtig, allein, gerade eine Frau sollte die Latte nie so hoch aufhängen, dass sie niemals drüberspringen kann. Wenn Du das beherzigst, rutscht Dein Stress-Level im Nu auf ein gesundes Maß nach unten und Deiner gesamten Familie wird dies sehr gut tun.
Dies betrifft insbesondere das erste, sehr anstrengende Jahr nach der Geburt. Nein, Du musst nicht jeden Tag perfekt sein. Und das erreichst Du mit weniger Kontrolle, vertraue Deinem Partner, dass er die Aufgaben, die er Dir gerne abnimmt, mit Bravour lösen wird. Wenn das auch nicht gleich beim ersten Mal klappt, dann wird er eben erst in ein paar Tagen zum Profi.
Gleiches gilt für Deine Eltern und Schwiegereltern, sie alle möchten sich ja gern beteiligen am guten Gedeihen Deines Kindes. Dass das Hemdchen mal links herum angezogen wurde oder der Brei eine zu feste Konsistenz hat, so what?
Lass doch einfach zu, dass hin und wieder ein Detail etwas suboptimal herüberkommt, anstatt Dir das perfekte Burn-out einzuhandeln. Wenn Du erst einmal gelernt hast, wie hilfreich eine solche lockere Herangehensweise für alle Beteiligte wirklich ist, dann wird Dein späterer Wiedereinstieg ins Berufsleben wie auf Schmierseife flutschen. Die berufstätige gute Mutter ist eben kein unauflösbarer Widerspruch in sich, lass Dir bloß nicht solchen Quatsch einreden.