Freitag, März 29, 2024
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Die Behandlung rettet ihm das Leben

Eine Weihnachtsreportage aus dem Caritas Baby Hospital in Bethlehem

George ist ein fast zehnjähriger Junge aus Bethlehem. Er leidet an einer seltenen Krankheit. Seit vielen Jahren wird er im Caritas Baby Hospital betreut. Das Krankenhaus übernimmt zum großen Teil die Behandlungskosten. Ohne diese Unterstützung wäre George schon lange gestorben. Sein erstes Weihnachtsfest verbrachte der kleine George notfallmäßig im Caritas Baby Hospital. Rasch erkannte man dort, dass er in Lebensgefahr schwebt. Der Neugeborene wurde in eine Klinik nach Jerusalem überwiesen, wo komplexe chirurgische Eingriffe durchgeführt werden können.

Die Diagnose lautete: Morbus Hirschsprung. Anfänglich waren die Ärzte überzeugt, dass nach einer Darmoperation alles gut sei. Doch es stellte sich heraus, dass George an einer besonders schweren Form dieser seltenen Krankheit leidet. Innerhalb von zwei Jahren wurden ihm daher der gesamte Dickdarm und Teile des Dünndarms entfernt.

„Dass George lebt, grenzt an ein Wunder“, sagt Dr. Hiyam Marzouqa, Chefärztin im Caritas Baby Hospital. Dort wird George betreut, seit alle Operationen durchgeführt sind. Mindestens zwei Mal im Monat bekommt er für mehrere Stunden eine lebensrettende Infusion.

In all den Jahren hat George dort Freunde gefunden – aber nicht etwa gleichaltrige Kinder, sondern viel mehr beim Personal. Da ist sein Lieblingspfleger, seine Lieblingskrankenschwester – und Hiba Sa’ady, seine Lieblingssozialarbeiterin. Sie begleitet George und die ganze Familie seit seiner Geburt.

Caritas Baby Hospital: Den Ärmsten helfen, so gut wir können
Bethlehem, Heiligabend 1952: Auf dem Weg zur Geburtskirche sieht Pater Ernst Schnydrig, wie ein verzweifelter Vater sein totes Kind in der Nähe eines palästinensischen Flüchtlingslagers im Morast begräbt. Der Sohn eines Walliser Bauern ist tief erschüttert und handelt:

Er mietet ein Haus, stellt 14 Betten hinein und nennt es „Caritas Baby Hospital“. Er gewinnt den palästinensischen Arzt Dr. Antoine Dabdoub und die Krankenschwester Hedwig Vetter für sein Projekt. Nie wieder soll einem Kind am Geburtsort Jesu medizinische Hilfe verwehrt bleiben. Gemeinsam mit dem Deutschen und dem Schweizer Caritasverband gründet Schnydrig 1963 die Kinderhilfe Bethlehem, um die Arbeit in Bethlehem finanziell zu sichern. Das anfängliche Provisorium entwickelte sich zu einem modernen Kinderkrankenhaus.

1978 wurde ein Neubau mit 82 Betten eingeweiht. Pater Schnydrig hat diesen Festtag nicht mehr erlebt. Er starb wenige Tage vorher. Sein Vermächtnis steht im Grundstein des Neubaus: „Wir helfen den Ärmsten, so gut wir können, und fragen dabei nie nach Nationalität oder Religion.“ Die Arbeit im Caritas Baby Hospital ist bis heute lebendiger Ausdruck christlicher Nächstenliebe.

Sie ermöglicht den Kindern Bethlehems seit 65 Jahren einen besseren Start ins Leben. Mit jährlich rund 50.000 Behandlungen präsentiert sich das Caritas Baby Hospital heute als moderne, leistungsstarke Kinderklinik für alle Familien des Westjordanlandes. Mit seinem umfassenden medizinischen und psychosozialen Angebot strahlt es weit über die Grenzen Bethlehems hinaus. Weltweit genießt die Kinderklinik den Ruf einer Oase der Genesung und des Friedens im Heiligen Land.

Zerplatzte Zukunftsträume

„Die Diagnose traf die Eltern wie ein Schock. Alle Zukunftsträume zerplatzten in diesem Moment“, erinnert sich die Sozialarbeiterin an die ersten Begegnungen mit Georges Eltern. Diese Erfahrung macht die Sozialarbeiterin immer wieder, wenn Eltern erfahren, dass ihr Kind eine chronische Erkrankung hat und ein Leben lang mehr oder weniger auf Unterstützung und Pflege angewiesen sein wird.

Daher seien viele Gespräche nötig, um die Familie zu ermutigen, ihr Kind so anzunehmen, wie es ist. Auch für Georges Eltern war es zu Beginn schwierig, mit dieser seltenen Erkrankung umzugehen. „Während der Vater in den letzten zehn Jahren stiller und in sich gekehrter geworden ist, mobilisiert die Mutter jeden Tag unglaubliche Kräfte und ist stärker und selbstsicherer geworden“, beschreibt Hiba Sa’ady, wie sich die Eltern durch Georges Erkrankung verändert haben.

Wichtige Sozialarbeit
Die Aufgaben der Sozialarbeiterinnen im Caritas Baby Hospital sind sehr vielschichtig. Ein wichtiger Aspekt ist die Betreuung von Kindern mit chronischen Erkrankungen. „Die ersten Monate nach der Diagnosestellung ist es für Eltern besonders schwierig“, erklärt Hiba Sa’ady, Sozialarbeiterin im Caritas Baby Hospital. Nicht selten geben sich die Ehepartner in ihrer Verunsicherung gegenseitig die Schuld an der Erkrankung des Kindes. „Da helfen medizinische Fakten, fundierte Aufklärung und lange Gespräche.“

Fast täglich machen die Sozialarbeiterinnen auch Hausbesuche. Hier können sie sehen, wie das Lebensumfeld der Familie ist und welche Hilfe sie braucht. Je nachdem kann dann das Caritas Baby Hospital selber Unterstützung leisten oder die Familien an die entsprechenden Stellen weiterleiten.

Neben der Einzelberatung, wie bei der Familie von George, betreuen die Sozialarbeiterinnen auch verschiedene Selbsthilfegruppen für Kinder mit Cystischer Fibrose, Epidermolysis Bullosa (Schmetterlingskrankheit) oder Diabetes. Gleichzeitig treffen sich die Eltern dieser Kinder zu Gesprächen. Der Sozialdienst des Krankenhauses hat im Jahr 2017 mehr als 7.000 Beratungsgespräche durchgeführt.

In den vielen Beratungsgesprächen hat sich zwischen der Familie und ihr, aber besonders zwischen George und ihr, eine ganz besondere Beziehung entwickelt. Immer wieder malt er für sie Bilder, die er mit „George liebt Hiba“ unterzeichnet. Der Junge hat sich „in mein Herz geschlichen“, gesteht auch die Sozialarbeiterin. Dabei betreut sie jedes Jahr unzählige kleine Patientinnen und Patienten im Caritas Baby Hospital.

Aber George sei anders, außergewöhnlich und auch vorbildlich. „Kinder mit deutlich weniger schweren Erkrankungen haben nicht annähernd so viel Energie und Lebensmut wie George, den seine Krankheit unübersehbar zeichnet.“

Die Sozialarbeiterin ist überzeugt, dass viele Familien mit einer Krankengeschichte wie der von George längst aufgegeben und aufgehört hätten zu kämpfen.

Trotz Einschränkungen lebt George ein einigermaßen normales Leben mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester Sidra. Er geht in eine christliche Schule, und es stört ihn wenig, dass er wegen der Krankheit nicht am Sportunterricht teilnehmen kann und gerade mal halb so viel wiegt wie seine Klassenkameraden. „Dafür bin ich im Lesen besser“, erklärt er stolz. „Darin habe ich sogar eine Goldmedaille gewonnen.“ Auf seinem Stuhl im Klassenzimmer liegt ein dickes Polsterkissen, damit er gut an die Tafel sieht. Die körperlichen Nachteile in der Schule macht George mit seiner raschen Auffassungsgabe und Intelligenz wett.

Eine Goldmedaille beim Lesewettbewerb

Am Anfang fragten die anderen Kinder, warum er einen Schlauch in der Nase trägt. „Das hat mit meiner Krankheit zu tun“, gab er knapp zur Antwort. Damit sei alles gesagt, findet George. „Es langweilt mich, immer nur darüber zu reden.“ Über diesen Schlauch, die Nasen-Magensonde, wird er rund um die Uhr mit sättigender Milch versorgt. George kann und soll zwar alles essen – besonders mag er Hühnchen und Pizza – aber sein Körper nimmt aus der normalen Nahrung nicht genügend Nährstoffe auf. Die fehlenden Kalorien, lebenswichtigen Proteine, Enzyme und Vitamine werden ihm via Tabletten, Tropfen und Infusionen verabreicht.

Sein Wunsch ist Befehl

Einmal hat George darauf bestanden, die Sonde für einige Tage zu entfernen. Er wolle stattdessen „ganz viel zu essen“. Aber innerhalb kurzer Zeit verschlechterten sich seine Werte drastisch. Da hat George eingesehen, dass es ohne die künstliche Zusatzernährung nicht geht. Seither entfernt Georges Mutter Riham die Nasensonde nur zum Wechseln. Überhaupt übernimmt sie zuhause alle pflegerischen Aufgaben. „George möchte das so. Und sein Wunsch ist mir Befehl.“ Die 34-Jährige lächelt liebevoll. Oft schläft sie nur drei Stunden in der Nacht.

Kinderhilfe Bethlehem
Finanziert und betrieben wird das Caritas Baby Hospital im Westjordanland von der Kinderhilfe Bethlehem. Das Behandlungskonzept bindet die Mütter eng in den Heilungsprozess ihrer Kinder mit ein. Das Krankenhaus verfügt zudem über einen gut ausgebauten Sozialdienst.

2017 wurden rund 50.000 Kinder und Babys stationär oder ambulant betreut. Alle Kinder erhalten Hilfe, unabhängig von Herkunft und Religion. Im Fortbildungszentrum des Caritas Baby Hospital werden Kurse für Mitarbeitende und Externe angeboten. Nur dank Spenden kann das Krankenhaus seine Aufgaben erfüllen und Kinderleben retten.

Der Deutsche Caritasverband ist Gründungsmitglieder der Kinderhilfe Bethlehem und betreut für Deutschland die Spender.

Auf die Frage, wie sie das alles durchstehe, antwortet sie ohne zu überlegen: „Meine Kraft ist ein Geschenk Gottes.“ Die Mutter würde es sich nie erlauben, vor George Müdigkeit, Angst oder gar Tränen zu zeigen. Das ist ein Hinweis, den ihr die Sozialarbeiterinnen im Caritas Baby Hospital gegeben haben. „Positive Energie überträgt sich auf die Kinder genauso wie negative.“ Daher zeigt sie sich immer stark vor den Kindern, lässt sich ihre Gefühle nicht anmerken. Mehr noch, es ist, als trage Riham einen Schalter in sich, mit dem sie die Sorgen wegknipsen kann, wenn sie mit den Kindern zusammen ist. „Alles liegt in Gottes Hand. Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, nur im Moment, nur im Jetzt zu leben.“

Trotz eines regelmäßigen Einkommens haben die Eltern keine Möglichkeit, neben den laufenden Ausgaben und den Schulgebühren auch für die Kosten der Behandlung aufzukommen. Sie besitzen, wie die meisten Familien in Palästina, keine Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass Krankenkassen die anspruchsvolle Behandlung und die umfassende Betreuung, die das Caritas Baby Hospital anbietet, nicht zahlen würden. „Wir sind dankbar, dass das Krankenhaus einen Großteil der Kosten übernimmt“, sagt Riham. „Die Behandlung rettet ihm das Leben.“

Wenn Georges Mutter Medikamente, Milchpulver oder Schläuche für die Magensonde braucht, geht sie bei der Sozialarbeiterin vorbei und diskutiert mit ihr, inwieweit das Caritas Baby Hospital die Familie finanziell unterstützen kann. George findet diese Besprechungen langweilig. Außerdem ermüdet ihn selbst der kurze Weg zwischen dem Behandlungsraum und dem Büro der Sozialarbeiterin.

Spenden & Informationen
Kinderhilfe Bethlehem im Deutschen Caritasverband e.V.
Spendenkonto IBAN DE32 6601 0075 0007 9267 55
www.kinderhilfe-bethlehem.de

Seit langem schon freut sich George auf Weihnachten, das zwei Tage nach seinem Geburtstag ist. In der Schule basteln er und seine Schwester eifrig Weihnachtsschmuck, den sie dann zuhause an den Christbaum hängen. Noch ist er unschlüssig, was er sich wünschen soll. Eine Gitarre? Eine Trommel? Schelmisch grinsend schiebt er nach: „Am besten beides.“ Er ist schlagfertig und selbstbewusst und liebt das Leben, auch wenn es nicht immer einfach ist und er oft Schmerzen hat. Aber er lässt sich von der Krankheit nicht unterkriegen. „Ich doch nicht.“

Titelbild: Foto: KHB/Meinrad Schade

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