Dienstag, November 19, 2024
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Die Masern-Impfpflicht für Kinder wird kommen

Die Debatte über die Masern-Impfpflicht ist neu entflammt

Die Große Koalition hat kürzlich mal wieder das große Thema Masern-Impfpflicht auf die politische Agenda gebracht. Das ist natürlich kein Zufall, gab es doch gerade in letzter Zeit eine signifikante Häufung von Masern-Infektionen, insbesondere in Schulen der Städte Hannover und Hildesheim. Masern sind extrem ansteckend und alles andere als harmlos, denn ein tödlicher Ausgang ist bei dieser Erkrankung nicht selten.

Wird die Politik endlich die Masern-Impfpflicht einführen?

Die kontrovers geführte Debatte über die Masern-Impfpflicht läuft nun schon seit vielen Jahren. Obwohl das Masernvirus in Deutschland selten geworden ist, häufen sich in letzter Zeit die Erkrankungsfälle. Das Virus ist extrem ansteckend. Zwischen dem Erstkontakt und den ersten Beschwerden liegen in der Regel bis zu zehn Tagen. Das ist eine lange Zeit, in der die noch ahnungslosen Infizierten das Virus munter an viele andere Menschen weitergeben. Zurzeit breiten sich die Masern gleich in mehreren Regionen Deutschlands ungewöhnlich stark aus. Daher ist es mehr als berechtigt, die Debatte über die bundesweite Masern-Impfpflicht erneut in die Politik zu tragen.

Kein Geringerer als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich nun gerade in der letzten Märzwoche für die Masern-Impfpflicht in den Kindergärten und in den Schulen ausgesprochen. Idealerweise muss natürlich auch das medizinische Personal gegen den Masern-Erreger geimpft sein. Spahn hält es für schwer erträglich, dass ausgerechnet Europa dazu beiträgt, die Ausrottung der Masern zu vereiteln.

Zu dem wichtigen Thema Masern-Impfpflicht hat inzwischen auch die Familienministerin Franziska Giffey ihr Votum abgegeben. Sie plädiert ebenfalls vehement für die Einführung der Masern-Impfpflicht. Sie begründet ihre Entscheidung damit, dass es hierbei nicht nur um die einzelnen Familien geht, die sich völlig frei für oder gegen eine Impfung aussprechen können, sondern um eine übergeordnete Verantwortung, die jeder Einzelne auch für die Gesellschaft insgesamt trägt.

Masern-Mumps-Röteln-Impfung – wird erwachsen

Rechtliche Grundlagen für eine Masern-Impfpflicht in Deutschland

Verfassungsrechtlich ist die Anordnung einer Impfpflicht durchaus gegeben. Wer dies bezweifelt, dem hilft ein Blick ins „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG), § 20 Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, Absatz 6“:

Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG) kann insoweit eingeschränkt werden. Ein nach dieser Rechtsverordnung Impfpflichtiger, der nach ärztlichem Zeugnis ohne Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit nicht geimpft werden kann, ist von der Impfpflicht freizustellen; dies gilt auch bei anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe. § 15 Abs. 2 gilt entsprechend.

Der Gesundheitsminister ist also sehr wohl berechtigt, eine derartige Verordnung zur Masern-Impfpflicht zu erlassen. Allerdings bedarf diese der Zustimmung durch den Bundesrat. Das Bundesverfassungsgericht achtet darauf, dass der Staat seiner Schutzpflicht, die sich aus dem „Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ ergibt, nachkommt. Daher sind Bund und Länder bei besonderen Gefahrenlagen verfassungsrechtlich sogar dazu verpflichtet, eine Impfpflicht durch eine Rechtsverordnung anzuordnen.

Vor- und Nachrangigkeit von Gesetzen

In diesem Fall würden viele Menschen sofort die Frage stellen, ob Kinder tatsächlich gegen den Willen ihrer Eltern geimpft werden können. Immerhin wäre so etwas ein Eingriff ins Elternrecht. Die Antwort darauf ist ziemlich einfach: Das Elternrecht ist in einem solchen Fall nachrangig zu behandeln. Auch weltanschauliche oder religiöse Gründe können eine Impfplicht nicht aushebeln, denn das Infektionsschutzgesetz legt fest, dass eine Ausnahme vom Impfzwang nur aus medizinischen Gründen gewährt werden kann. Nur wenn jemand durch eine Impfung unzumutbar gefährdet ist, besteht ein Anspruch auf Freistellung von dieser Verpflichtung. Glaubens- und Gewissenseinstellungen sind diesbezüglich außen vor.

Impfen – ein Geschäft mit der Angst

Ist denn eine Masern-Impfpflicht wirklich notwendig?

Masern-Viren finden durch Tröpfcheninfektion über die Schleimhäute sehr leicht ihren Weg in den menschlichen Körper, wo sie sich sogleich unkontrolliert vermehren. Die Infektion beginnt zunächst mit den üblichen Symptomen eines Infekts: Abgeschlagenheit und Fieber.

Nach diesem eher grippeähnlichen Vorstadium tritt jene maserntypische Krankheitsphase ein, in der der rötliche Hautausschlag nicht mehr zu übersehen ist. Dann können sich im weiteren Verlauf die gefürchteten Komplikationen wie Lungenentzündung, Mittelohrentzündung oder sogar eine Enzephalitis (Gehirnentzündung) entwickeln. Ungefähr ein Promille der an Masern erkrankten Menschen erleidet eine Gehirnentzündung, von denen jeder fünfte bis zehnte Patient stirbt.

Bei zwei bis drei der von durch Masern ausgelöste Gehirnentzündung betroffenen Menschen ergeben sich schwere, bleibende Folgeschäden wie Lähmungen oder geistige Behinderungen. Bei vier bis elf von 100.000 Masernfällen kommt es zu einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE). Dabei handelt es sich um eine schleichende Zerstörung von Nervengewebe und Gehirnzellen, die immer tödlich endet. Gefährdet sind davon ganz besonders Kinder unter fünf Jahren.

Wer ist durch Masern besonders gefährdet?

Jeder, der diese Krankheit noch nicht durchgemacht hat, kann grundsätzlich an Masern erkranken. Wer einen vollständigen Impfschutz erfahren hat, kann davon ausgehen, dass er sich nicht mehr anstecken wird. Insofern sind gerade Säuglinge, für die die erste Impfung erst gegen Ende ihres ersten Lebensjahres vorgesehen ist, ganz besonders gefährdet.

Jugendliche und Erwachsene, die noch nicht beide Schutzimpfungen bekommen haben, sind ebenfalls Risikogruppen. Über die Hälfte der Masernfälle in Deutschland betrifft Jugendliche sowie erwachsene Menschen bis ungefähr 45 Jahre. Menschen mit schlechter Immunabwehr können in vielen Fällen gar nicht geimpft werden. Wenn sie dann an Masern erkranken, sind Komplikationen fast vorprogrammiert.

Masern sind bei Erwachsenen mitnichten selten. Je älter der Betroffene, desto gefährlicher die Situation. Gerade bei älteren Menschen wird die Masern-Erkrankung oft erst spät erkannt, weil die Betroffenen eher eine Grippe vermuten. Dies räumt dem Erreger die Chance ein, besonders viele andere Menschen, meistens Ältere, zu befallen.

Masern bei schwangeren Frauen

Eine Masern-Erkrankung kann bei einer Schwangeren eine Fehlgeburt auslösen. Falls dies vermieden werden kann, kann aber zumindest das Masern-Virus über den Mutterkuchen auf das ungeborene Kind übergehen. Zu den typischen Fehlbildungen, wie sie durch Röteln-Infektionen bekannt sind, kommt es durch Masern aber nicht. In der Literatur werden lediglich ganz vereinzelt Missbildungen aufgrund einer Masern-Infektion beschrieben.

Doch Frühgeburten durch Masern sind mit bis zu 25 Prozent fast an der Tagesordnung. Fehl- oder Totgeburten kommen ebenfalls vor und die Sterblichkeit ist bei Säuglingen im Zusammenhang mit Masern signifikant erhöht.

Daher wird die Impfung mindestens drei Monate vor Eintritt der Schwangerschaft unbedingt empfohlen. Wird der Abstand zu kurz gewählt, kann das Neugeborene mit einem charakteristischen Masern-Hautausschlag zur Welt kommen. Ein Grund, die Schwangerschaft wegen einer zu späten Impfung abzubrechen, besteht aber auf keinen Fall. Eine schwangere Frau, die nicht über Masern-Antikörper verfügt, sollte den Kontakt zu infizierten Personen unbedingt meiden.

Höchste Zeit zu handeln

Im Jahre 2016 wurde zumindest schon mal eine Beratungspflicht für jene Eltern eingeführt, die ihr Kind in einer Kita anmelden wollten. Kinderärzte sind außerdem dazu angehalten, bei jeder Vorsorgeuntersuchung das Impf-Buch zu prüfen.

Hinsichtlich der Masern-Impfpflicht ließe sich in der Tat in den Kitas und in den Schulen der Hebel ganz praktisch ansetzen. Im Zuge der bisherigen Impf-Beratung könnten sodann die Impfungen auch gleich vorgenommen werden, wenn ein Kind in eine Einrichtung aufgenommen wird, die mit öffentlichen Mitteln betrieben wird. Tatsächlich haben einzelne Kitas in NRW schon eine derartige Impfpflicht eingeführt.

Daten des Robert-Koch-Instituts zufolge waren nahezu 99 Prozent der Kinder Jahrgang 2010 zum Zeitpunkt ihrer Einschulung wenigstens schon einmal gegen Masern geimpft und immerhin 93 Prozent verfügten auch über die zweite Impfung, die für einen umfassenden Schutz entscheidend ist.  Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert allerdings mindestens 95 Prozent Doppelimpfungen. In Sachsen lag übrigens die Rate der zweifach geimpften Schulanfänger mit nur 81 Prozent auffallend niedrig.

Herden-Immunität bedeutet Schutz für die Gemeinschaft

Um vollständigen Impfschutz zu erlangen, sind zwei Einzelimpfungen erforderlich, die zeitlich mindestens vier Wochen voneinander getrennt erfolgen sollten. Gegen Ende des ersten Lebensjahres sollte ein Kleinkind seine erste Impfung erhalten, am Anfang des zweiten Lebensjahres sollte dann bald die zweite Impfung folgen. Für Erwachsene, die nach 1970 geboren wurden, kann gegebenenfalls die zweite Nachholimpfung auch jetzt noch sinnvoll sein.

Generell gilt, dass das individuelle Ansteckungsrisiko mit der Anzahl vollständig geimpfter Menschen sinkt. Wenn 95 Prozent der Bevölkerung eines Landes gegen Masern geschützt sind, können sich theoretisch die Masern nicht mehr ausbreiten. Auf diese Weise ergibt sich ein indirekter, aber sehr effektiver Schutz für Babys oder Menschen mit Immunschwäche.

Das bedeutet: Wer sich gegen Masern impfen lässt, schützt damit nicht nur sich selbst, sondern zugleich auch alle anderen Menschen. Dafür gibt es den Begriff der „Herden-Immunität“. Auch wenn wir uns nicht so gern als Herdentier begreifen mögen, es ist ja nur ein die Sachlage bezeichnendes Wort, das vielleicht ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl ist, eben nicht als sturer Egoist durchs Leben zu gehen.

In diesem Sinne gilt:

Es ist höchste Zeit zu handeln.

 

Fachredaktion Adeba
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Ich bin eine Diplom-Psychologin mit Lehrbefähigung, die gerne Texte rund um zwischenmenschliche Beziehungen, Gesundheit und Ernährung schreibt. Manchmal auch über Kultur und Reisen und hin und wieder sogar über Geschichte. Ich freue mich sehr über Eure Kommentare und hoffe, Ihr mögt meine fachlichen Texte, die immer ein wenig meine persönliche Handschrift tragen. Ich möchte Euch rund um die großen Themen Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung informieren, wichtige Anregungen geben und gern auch mal zu einer kontroversen Diskussion provozieren.

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