Samstag, April 13, 2024
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Gesetzlicher Menstruationsurlaub in Deutschland?

Freie Tage für die Tage

Für viele Frauen ist die Menstruation kein Zuckerschlecken. Ganz im Gegenteil: Übelkeit, Kopfschmerzen bis hin zu Unterleibskrämpfen machen ihnen während dieser „Tage“ das Leben schwer. In Taiwan hat man daher ein Nachsehen mit den Frauen und räumte ihnen ein Recht auf drei freie Tage in Form eines Menstruationsurlaubs ein, immer dann, wenn die Menstruationsbeschwerden besonders heftig sind. Gesetzlicher Menstruationsurlaub in Deutschland – bald bei uns möglich?

Menstruation ist keine Krankheit

Menstruationsbeschwerden haben viele Facetten, die meisten davon sind wohl eher in die Rubrik „unangenehm“ einzuordnen. Die Rede ist von dieser ganzen Palette:

Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Verdauungsbeschwerden, Migräne bis hin zu so schmerzhaften Bauchkrämpfen, dass ein aufrechtes Stehen gar nicht mehr möglich ist. Wer stark unter Menstruationsbeschwerden leidet, kann eigentlich nicht viel machen. Manche Frauen trifft es so hart, dass sie nur noch im Bett abwarten können, bis es endlich vorbei ist. Zur Arbeit gehen, daran ist nicht einmal zu denken.

Immer mehr Länder beteiligen sich am Menstruationsurlaub

Neben Taiwan sind diesbezüglich auch Japan, Südkorea, Indonesien und sogar Indien Vorreiter beim längst überfälligen Anspruch auf bezahlten Menstruationsurlaub. Gerade in Indien hat diese Art von Verständnis für die Frau eine lange Tradition. Im indischen Teilstaat Kerala wurde den Schülerinnen schon 1912 erlaubt, bei Menstruationsbeschwerden sogenannte „Absenztage“ geltend zu machen.

Um 1920 waren es japanische Gewerkschafter, die freie Tage für Frauen während der Menstruation forderten, 1947 wurde endlich ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, wobei es aber den Arbeitgebern überlassen wurde, darüber zu entscheiden, ob dies bezahlter Urlaub war.

In Indonesien können sich Frauen zwei freie Tage pro Periode nehmen, auf Taiwan sind es drei Tage und Südkorea geht sogar so weit, dass sich die Frauen ihre Freitage extra auszahlen lassen können, sollten sie mal keinen Gebrauch davon machen.

Zu den ersten Global Playern, die den „menstrual leave“ schon im Jahre 2007 sogar in ihren Unternehmensrichtlinien festgehalten haben, gehört der Sportartikelhersteller Nike.

Auch Italien liebt seine Donne

Ein italienischer Gesetzentwurf sieht es jetzt vor, dass Frauen, die wiederholt an starkem Blutverlust (Hypermenorrhoe) oder Krämpfen leiden und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, drei Tage pro Monat bezahlten Menstruationsurlaub nehmen können.

Die Politikerin Simonetta Rubinato, die den Gesetzentwurf aktiv mit vorangebracht hat, argumentiert unter anderem mit der fehlenden Produktivität von Frauen, die unter solchen Schmerzen leiden.

Bereits im Jahre 2017 haben italienische Parlamentarierinnen einen ganz ähnlichen Vorstoß gewagt. Doch jener Gesetzentwurf wurde mit der fadenscheinigen und zugleich zynischen Begründung abgelehnt, dass derartige Freitage sexistisch seien, weil Frauen dadurch als schwächere Arbeitskräfte abgestempelt würden.

Auch in Russland wurde übrigens schon 2013 erfolglos über eine dahin gehende Gesetzesänderung debattiert. Allerdings sollte man dabei bedenken, dass in Russland die Frauen schon mit 55 Jahren in Rente gehen, ist ja auch kein schlechtes Entgegenkommen.

Die Gegenargumente sind nicht ganz von der Hand zu weisen

Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil. Zusätzliche drei Urlaubstage pro Monat summieren sich im Jahr auf 36 auf. Zusammen mit dem üblichen Jahresurlaub verschwinden die Frauen dann 66 Tage von ihrem Arbeitsplatz. Das ist ungefähr 1/3 aller Arbeitstage des Jahres. Es steht zu befürchten, dass dies dann ein Grund für deutlich mehr Diskriminierung der Frauen in der Arbeitswelt sein wird.

Dass dieser Gedanke ein reales Fundament hat, zeigt ein Artikel der Fachzeitschrift „Health Care for Women International“. Darin geht die Wissenschaftlerin Alice J. Dan vom „Center for Research on Women and Gender in Chicago“ darauf ein, dass in Japan die Zahl der auf Menstruation bezogenen Freitage messbar rückläufig ist, was im Zusammenhang damit gesehen wird, dass die Frauen merken, wie ihre berufliche Karriere darunter leidet.

„Money makes the world go round“

Dass Frauen wegen ihres Kinderwunsches irgendwann für längere Zeit ausfallen könnten, ist den Arbeitgebern schon lange bekannt. Um modern und attraktiv zu wirken, bemühen sich die Arbeitgeber endlich darum, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zumindest auf ihrer Internetseite in großen Lettern auszustellen. Doch ein solches Gesetz könnte ihre Geduld sozusagen überstrapazieren, denn zusätzliche freie Tage für Frauen kosten den Unternehmen, so auch den staatlichen Behörden, viel bares Geld.

Empathie und Umdenken für eine faire Gesellschaft

Es sind nach wie vor meistens Männer, die an den Schalthebeln der Gesellschaft sitzen. Für sie sind Menstruationsbeschwerden nur ein abstraktes Wort. Da kann (und will) sich kein Mann hineinversetzen. Dies muss sich gewiss erst einmal ändern, damit sich bezahlter Menstruationsurlaub nicht als Bumerang gegen Frauen richtet.

Trauriger Fakt ist heute in Deutschland, dass sich ungefähr die Hälfte aller berufstätigen Frauen unter Einnahme giftiger Schmerzmittel zum Arbeitsplatz schleppt. Dieses klägliche Bild vor Augen mag vielleicht dabei helfen, männlichen Entscheidungsträgern die Augen für einen fairen Umgang mit Frauen zu öffnen.

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